Ich habe mir gestern zum ersten Mal seit Längerem wieder die PIECES OF MY LIFE angehört. Sie enthält die Closing Show der Juli-Tournee des Jahres 1975 und ich muss sagen, mir hat der Auftritt richtig gut gefallen.

Von der ersten bis zu letzten Note gibt Elvis Vollgas und bringt haufenweise Raritäten wie SOMETHING, RETURN TO SENDER oder auch WOODEN HEART (inklusive einiger Textzeilen in Deutsch). Aber auch bei den aktuellen Sachen griff er in die Zauberkiste und sang SHAKE A HAND und PIECES OF MY LIFE.

Die Show ist wirklich super und auch die Tonqualität ist für einen Publikumsmitschnitt in Ordnung. Zudem ist die CD auch noch schön aufgemacht. Zwar nicht so gut, wie die folgenden Straight Arrows, aber für ein Erstlingswerk sieht alles sehr gut aus.

Was ich mich allerdings bei solchen Shows immer wieder frage: Warum hat Elvis Lieder a'la RETURN TO SENDER oder SHAKE A HAND nicht regelmäßig gesungen? Geprobt waren die Lieder auf jeden Fall. Ich finde es dann immer schade, wie sehr Elvis hinter seinen Möglichkeiten blieb.

Elvis blieb eigentlich recht selten hinter seinen Möglichkeiten. Diese Songs sind heute Juwelen, aber damals wollte die doch ehrlich gesagt, keiner hören. Die Leute wollten nun mal Hound Dog, Jailhouse Rock oder Love me tender. Ausserdem legte Elvis sehr viel Wert darauf, wie ein Song im Konzert endet. Es musste schon mit Fanfaren und Tusch sein. Daher passt auch nicht jedes Lied in dieses Schema. Ich hätte auch gern mal Devil in Disguise mit J.D.´s Bass gehört, aber das bleibt nur ein Traum, denn diesen Song hat er nie live gesungen, genauso wenig wie Way down - oder weiss da jemand was anderes???

Ich glaube nicht, dass damals niemand diese Songs hören wollte. Klar, der kleinste gemeinsame Nenner waren Songs a' la HOUND DOG und ALL SHOOK UP, aber wenn der Sänger fast brechen muss weil er sie singt (zumindest klingt es oft so), sollte man diese Lieder -zumindest eine Zeit lang- weglassen.

Außerdem waren die Reaktionen auf Titel wie RETURN TO SENDER oder YOUNG AND BEAUTIFUL, LOVING YOU oder CRYING IN THE CHAPEL (nicht in diesem Konzert, aber generell) auch nicht gerade verhalten. Er hätte also durchaus mal was anderes bringen können.

Manchmal muss man eben auch auf einige Fans verzichten, wenn man sich weiterentwickeln will. Der Weg nach oben führt gelegentlich halt zunächst einmal zur Tür raus.

Künstlerisch blieb der King meilenweit unter seinem Level, zumindest in den letzten Jahren.

Bei Elvis hing wohl das künstlerische Niveau immer mit der Motivation zusammen. Er musste herausgefordert werden um Bestleistungen zu bringen. Eine Europatournee oder ein neuer Film wären solche Maßnahmen gewesen. Aber selbst bei "In Concert" hat er sich im Grunde gehen lassen. Dass er zu viel mehr im Stande war, ist ausserhalb jeder Diskussion. Vielleicht hätte man im Januar nicht versuchen sollen komerzielle Titel aufzunehmen, sondern ein Gospelalbum zu produzieren. Dazu hätte er vielleicht Lust gehabt - ist aber nur Spekulation!!
Klar, solche Songs wie Crying in the Chapel, Loving You oder Return to Sender sind heute Juwelen, aber dieses Showending, welches Elvis liebte habe diese Songs nicht. Man hört es auch in That´s the way it is, dass er sich um diese Endings sehr viele Gedanken machte und daher einige Songs ausschloss, weil sie nicht so enden konnten.

Ich denke nicht, dass er sich zu diesem Zeitpunkt (Juni 77) "gehen" lassen hat - da ging einfach nix mehr, aus welchem Grund auch immer ... und mehr war da einfach nicht (mehr) drinnen

Minimal auf, minimal ab ja - aber für große Sprünge reichte es im Rahmen dieser Tour offensichtlich nicht (mehr) ...