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Dein Posting bietet insgesamt aber einen guten Ansatz, um in die von mir erwähnte Detailarbeit einzusteigen. Wir haben ja bereits erkannt, dass man mit pauschalen "Ganzjahresurteilen" nicht weiter kommt. Tatsächlich ist für mich bei der Klärung des Phänomens 1971 das Wie wichtiger als das Was. Du verweist völlig zu Recht darauf, dass das Thema Verlust im Jahre 1970 bereits in den Songtexten vertreten war. Ich schrieb aber, "1971 weht ein neuer, wenn auch kein frischer Wind durch Elvis Songs: seine Stimme spricht von Einsamkeit, Enttäuschung und Zweifeln wie nie zuvor." Es geht mir in erster Linie um Elvis Interpretation des Themas, nicht um das Thema selbst. Hier sehe ich auch den entscheidenden Unterschied zwischen den Jahren 1970 und 1971, und das tust Du wohl auch, denn sonst würdest Du nicht schreiben: "Soweit mich meine Erinnerung nach annähernd 25 Jahren, in denen ich exzessiv Elvis gehört habe, aber nicht täuscht, singt er 1971 nicht schlechter als 1970, sondern im Gegenteil eher (deutlich) besser." Ich würde das jetzt so nicht unterschreiben (Du hältst Dir ja auch ein rhetorisches Hintertürchen offen), aber wir sind uns einig, dass Elvis 1971 anders sang als 1970. Fangen wir mal mit Deiner Liste an. Einige Titel hast Du ja wohlweislich in Klammern gesetzt, denn sie klingen, wie Du schreibst, einfach nicht traurig (und sind es vielleicht auch gar nicht, s.u.):
Viel überzeugender wirkt da I really don't want to know, wo Elvis bereits in den ersten Zeilen eine große Verletztlichkeit und nagende Zweifel in der Form von Eifersucht hörbar macht. Tomorrow never comes ist voll von Fatalismus, der derart intensiv dargeboten wird, dass die Ausweglosigkeit (der wie-auch-immer gearteten) Situation fast greifbar wird. Last, but not least möchte ich hier noch Where did they go Lord hinzufügen. Elvis interpretierte diesen Song mit großer Hingabe. Es ist eines der wenigen Lieder (vier, eigentlich eher drei) des Jahres 1970, bei denen ich vergesse, dass Elvis ein Unterhaltungskünstler war, dem es gelang, Songs so emotional aufzufüllen, dass man glaubt, es seien seine eigenen Gefühle. Aus Where did they go Lord aber treten Gefühle wie Wehmut, Verzweiflung und Verlust plastisch hervor. Allerdings bleibt anzumerken, dass dieser Song im September 1970 aufgenommen wurde, und da tickten die Uhren möglicherweise schon anders als im Februar, Juni, Juli oder Anfang August. Ich schätze an dem Jahr 1970 die Vielseitigkeit, die Elvis an den Tag legte, aber emotionaler Tiefgang war in jenen Tagen nicht seine Stärke bei der Songinterpreation. In dieser Hinsicht schneidet er 1971 deutlich besser ab, und aus diesem Grunde formulierte ich auch die provokante These, dass Elvis 1970 an einem Gospelalbum gescheitert wäre. 1970 lief für ihn einfach alles zu gut, er war auf dem Gipfel, und in jenem Moment dort war für Gefühle wie Zweifel, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit (noch) kein Platz (und wohl auch keine Zeit). Die o.a. Vorzüge des jahres 1971 werde ich in einem späteren Posting noch weiter ausführen, damit dieses hier nicht noch länger wird. Vielen Dank an alle, die bis hier durchgehalten haben. |
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Auf dieses Posting (in diesem inzwischen vermutlich bereits zu einer Art "Privat-Diskussion" mutierten Thread) muss ich noch antworten, aber heute wird das, fürchte ich, nichts mehr. Aber da sich die Unterhaltung m. E. lohnt, weil sie sehr fruchtbar ist, will ich das auf jeden Fall bald nachholen.
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Das Thema interessiert wohl niemand außer uns. Ich habe hier noch einiges zu schreiben, bin mit Zeit aber gerade auch nicht gesegnet in diesen Tagen. Aber ich bleib dran. |
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Endlich mal eine wirklich interessante Diskussion.
Auch weil sie mit einem Thema einhergeht, was mich schon länger beschäftigt: der eindeutige Niedergang von Elvis' Stimme nach 1970. Was dieses Phänomen so interessant macht, ist die Tatsache, dass es sich nicht (zumindest "nur") um einen Fall physischen "Abriebes" einer Stimme zu handeln scheint, sonder um einen bewussten Vorgang genügsamer Schludrigkeit. Das lässt sich daraus herleiten, da es einen Abfall vergleichber mit dem von 1970 zu 1971 danach nicht mehr gab. Bei alleiniger physischer Erschöpfung hätte seine Stimme kontinuierlich bis zum Ende abbauen müssen. Das tat sie aber nicht. Nach 1971 gab es kaum eine stimmliche Veränderung bei Elvis. Der Knackpunkt war wohl tatsächlich der Jahreswechsel 70/71. Wie Manhattoe schon erwähnte, gibt es einen eklatanten Unterschied zwischen der Elvis Country - und der He touched me - Stimme (besonders erkennbar bei dem Song "Seeing is Believing": so hat Elvis vorher einfach nicht gesungen!) Ich habe lange überlegt, was es denn genau ist, was so anders scheint als vorher, und bin zu einem Schluss gelangt, der etwas mit Aggresivität zu tun hat. 1968, 1969, 1970 war Elvis ein Mann, der angriff. Man kann sagen er eroberte sich mit Gewalt den Throm zurück. Nun gibt es den Spruch: ein Amt zu bekommen, ist schwieriger als es zu halten. Elvis hatte aber nicht einmal etwas zu halten, denn im Jahr 1971 war er wieder der (alleinige) König. 1971 ist er zu einer lebenden Legende geworden. Der Leistungsdruck war weg. Man vergleiche: See See Rider auf On Stage und den selben Song auf dem Aloha from Hawaii Konzert. Die erste Darbietung ist die eines Blues, Rock, Soul-Sängers dessen Stimme auf dem Höhepunkt ihrer Leistungfähigkeit war, und der sein Publikum erstaunen wollte. Die zweite ist die Vorstellung eines Mannes, der genau weiß, dass das Publikum weiß, wie er See See Rider singen könnte oder zumindest konnte. Es ist eine Legende, die sich selber imitiert. Mehr war nicht nötig, sein Platz unstrittig. Wie großartig wäre Burning love im Jahr 1970 geworden... 1071 war der professionelle Druck verschwunden, wurde jedoch ersetzt durch einen erheblichen persönlichen. Und ich denke genau das ist es: eine wachsende Desillusionierung gepaart mit trauriger Introvertiertheit und vor allem fehlenden Leistungsdrucks. Was im Englischen als dieses "wobble" in Elvis späterer Stimme benannt wird, ist ja nichts anderes als ein, im Gegensatz zu früher, im Kehlkopf erzeugtes Vibrato. Dieses ist übertragbar auf Elvis Stimme im Allgemeinen: Holte er seine Stimme die drei Jahre bis 1970 tief aus dem Bauch, so wird ihm dieses ab 1971 zu anstrengend und er beginnt mit seiner "knödeligen" Kopfstimme. Alles in allem, um auch wieder zum Thema zu kommen: Elvis wollte ab 1971 die nötige Energie nicht mehr aufbringen, um zu neuen gesanglichen Höhepunkten zu gelangen. Geändert von sgtpepper1983 (25.01.2007 um 14:50 Uhr) |
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Weil er mit seiner Rolle als Studiokünstler abgeschlossen hatte. Vorbei waren die leidenschaftlichen Sessions bis ca. 1962 und dann nochmal 1969, bei denen es Elvis wichtig war, was er ablieferte und wie es abgemischt und veröffentlicht wird. 1971 hatte er andere Sorgen: Er merkte, dass Tour-Alltag und Familie sich nicht vertragen und dass er seine Familie wohl oder übel zugunsten des Berufs opfern muss. Live war er noch voll da, weil es ihm Spaß machte. Die Studioarbeit allerdings wurde zur reinen Pflichterfüllung. Vorbei waren die Zeiten, als ihm selbst(!) der 30. Take immer noch nicht gut genug war. Langfristige Verträge waren für Elvis auf Dauer noch nie förderlich (Hollywood, Las Vegas, RCA ...), wenn nicht sogar reinstes Gift. Elvis war einer, dem man hin und wieder mal in den Hintern treten musste und mit neuen Sachen konfrontieren musste. Leute wie Seve Binder oder Chips Morman erkannten das und praktizierten es auch. Wenn man die Studiogespräche von 1969 mal verfolgt, merkt man, dass Chips Morman Elvis manchmal ganz schön ran nimmt. Von Felton Jarvis hört man derartiges fast nie.
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Weiter, weiter , weiter! Now your talkin`business, das sind die Sachen, die ich wissen will! Wir können alsoden Scheitelpunkt Elvis`Karriere und seinen persönlichen Knackpunkt 1971 festmachen, abda lies er sich beruflich also künstlerisch und menschlich im Hinblick auf den Tablettenkonsum gehen. Sehr schön finde ich, wie das hier direkt an der Gesangstechnik nachvollzogen wird und ich finde das ist analytisch sehr interessant.
Beeing on Top of the world und trotzdem nicht glücklich,das hat ihn gebrochen. Was sollte er noch erreichen? Wo das Glück suchen? Was ihm am meisten Spaß machte: Livekonzerte, die Aufregung, der Austtausch der Energien. Elvis und der Colonel hatten ein Riesenimage geschaffen, den größten Weltstar aller Zeiten, den Abend für Abend zu geben was für eine Rosskur...das ging nur mit den Medikamenten. Sein Seelenheil hat er so nicht gefunden. Also würdet ihr sagen um 1971 hat er die Hoffnung verloren, irgendwo tief insich drinnen? |
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So würde ich es nicht ausdrücken. Zwar fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut, suchte sowas wie seinen Platz im Universum, aber die, die Einfluss auf ihn hatten, verstanden das nicht und unterstützten ihn auch nicht dabei. Business as usual war angesagt. Der Goldesel Elvis kackte wieder/noch viele Goldstücke, sein Umfeld lebte bei ihm wie die Made im Speck und niemand sah Anlass für eine Veränderung. Allein schaffte es Elvis nicht, da er nicht mal genau wusste, nach was er suchte. Larry Geller war da leider die falsche Person, um berufliche Veränderungen durchzubringen. Auch das Management sah keinen Anlass dazu. Das Geld floss noch im Übermaß - alles andere war für Colonel & co. zweitrangig. Wieso ließ man nicht, wie 1969, andere Produzenten zu? Zusammenarbeit mit anderen Künstlern (in der Art. Johnny Cash/Bob Dylan) ? Der Colonel duldete noch nie einen zweiten Künstler auf gleicher Ebene wie Elvis. Das war pure Dummheit und einer der größten Fehler in Elvis' Karriere.
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Eine gewisse "Schludrigkeit" bei der Phrasierung ist auch nicht zu leugnen. (Dazu später mehr, aber erst muss ich, wie o.a., die Vorzüge einiger 71er Balladen preisen.) Umso mehr freue ich mich auf Dein angekündigtes Posting, und v.a. darüber, dass dieser Thread endlich ein bisschen Fahrt aufnimmt. Geändert von Manhattoe (25.01.2007 um 16:40 Uhr) |
Stichworte |
1971, between, years |
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