Thema: Bericht Das Jahr 1954
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Alt 05.09.2017, 21:18
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Das Jahr 1954

In folgendem Bericht habe ich das Jahr 1954 beschrieben. Ihr findet eine Kurzbiografie, die Konzert-Liste und Fotos/Hintergrundinfos zu den Auftritten.

Quellen:
- Peter Guralnick, Last Train To Memphis
- die HP scottymoore.net
- die HP Elvis Presley in Concert
- die HP elvis-memories
- die HP Keith Flynn
- die HP Elvis-Club Berlin
- FTD, A Life In Music
- Wikipedia


Zunächst möchte ich einen kleinen Einblick geben, wie es damals in den Südstaaten jungen Musikern gelingen konnte, erfolgreich zu werden.
Wenn Elvis ein "kometenhafter Aufstieg" bescheinigt wird, muss man folgende Umstände berücksichtigen.

In den zahlreichen Clubs wurde oft Livemusik gespielt. Jedermann hatte die Möglichkeit, sich auf der Bühne zu präsentieren. Elvis nutzte diese Gelegenheit bereits sehr früh.
In manchen Clubs wurden Programm-Shows geboten, die ein örtlicher Radiosender live übertrug. Die Organisation übernahm meist ein DJ des Senders. Hierbei kam es selbstverständlich auf die Popularität und Reichweite des Senders an um den Bekanntheitsgrad der Musiker zu steigern (manche Sender waren nur bis zur Stadtgrenze zu empfangen). Elvis wurde ab Mitte '54 häufig in solche Shows integriert.

Die beiden wichtigsten Radioshows - für die Aufnahme ins Programm wurde sehr kritisch ausgewählt - waren damals:

- die Grand Ole Opry, Nashville, TN, gegründet am 28.11.1925. Sie wurde an jedem Samstagabend übertragen und war zunächst nur in Tennessee zu empfangen. Ab den 30er Jahren konnte die Show in ganz Nordamerika gehört werden. Sie war das höchste Ziel eines jeden Musikers. Das strenge, konservative Regime wies jedoch viele Talente ab. E-Gitarre und Schlagzeug waren lange Zeit verpönt, und so mussten sich die Manager damit abfinden, dass in der Mitte der 50er Jahre viele junge Hörer abwanderten und sich dem Rock'n Roll zuwandten. Die Grand Ole Opry wird heute hauptsächlich von Touristen besucht.

- der Louisiana Hayride, Shreveport, LA, gegründet am 3.4.1948. Die Show wurde an jedem Samstagabend übertragen und war in 28 Staaten zu empfangen. An jedem 3.Samstag des Monats wurde der Sender mit CBS zusammen geschaltet, so dass die Show auch in Übersee zu hören war. Im Louisiana Hayride bekamen viele junge Talente, die in der Opry durchgefallen waren, eine Chance. Auch Musiker, die sich dem strengen Management der Opry nicht unterwerfen wollten, versuchten ihr Glück über den Hayride. Nach Elvis' Weggang - Ende '56 - nahm die Popularität der Show soweit ab, dass man sie 1969 einstellte. Eine Wiederbelebung zwischen '73 und '87 konnte nicht an den früheren Erfolg anknüpfen.







Im Laufe des Jahres 1954 wurde Elvis zum "Local Hero". Er nahm die ersten Platten bei "Sun Records" auf, tat sich mit Scotty Moore und Bill Black zusammen und absolvierte seine ersten Live-Performances.

Zu Jahresbeginn war er ein schüchterner (knapp) 19jähriger, der einen sehr außergewöhnlichen Kleidungs-Stil pflegte. Auch seine Frisur entsprach nicht dem Üblichen. Er machte sich damit oft zum Gespött der Leute. Vor allem Gleichaltrige hänselten ihn. Er ließ sich jedoch nicht beirren und blieb sich treu.


Elvis 1954


Seit seiner Schulentlassung 1953 arbeitete er ungelernt in einer Werkzeugfabrik. Bis auf wenige Dollar, die er für Benzin oder Kino-Eintritt behielt, gab er seinen Lohn zu Hause ab. Die Familie bewohnte eine Sozialwohnung in den Lauderdale Courts.
Seine Gitarre war sein ständiger Begleiter, obwohl er zunächst Hemmungen hatte, in der Öffentlichkeit zu spielen.
Sonntags ging er regelmäßig in die Bibelschule Christ Ambassadors. Dort fiel er der damals 15jährigen Dixie Locke auf. Sie fand ihn interessant und wollte ihn kennenlernen.
Dixie: "Er war seltsam gekleidet - in schwarz und pink. Er hatte lange fettige Haare und ein zappeliges Benehmen. Er wirkte schüchtern und wurde von vielen ausgelacht. Er tat alles, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ich denke, er wusste bereits, dass er anders war."
Zum ersten Treffen zwischen Dixie und Elvis kam es weil sie, während er in der Nähe war, bewusst lautstark mit ihren Freundinnen einen Samstagabend im "Rainbow Rollerdrome" plante. Die Rechnung ging auf - Elvis erschien in einem schwarzen Bolero-Jäckchen, schwarzer Hose mit rosa Streifen an den Seiten und Rüschenhemd. Sie verliebten sich direkt ineinander und waren für längere Zeit unzertrennlich. Die Beziehung steigerte sein Selbstbewusstsein. Er erschien gerne in ihrer Begleitung an allen möglichen Orten.
Dixie: "Er war stolz auf sich, stolz auf seine Kleidung, stolz auf sein Mädchen, stolz auf das, was er in der Stadt gelernt hatte - und warum auch nicht? Er hatte dazu auch jeden Grund."
Die Leidenschaft für Musik verband Elvis und Dixie. Sie besuchten viele Events und hörten stundenlang Platten, die sie sich hin und wieder von ihrem wenigen Geld kauften.


Dixie und Elvis



Schon seit längerer Zeit trat Elvis an verschiedenen Orten mit wechselnden Begleitmusikern auf. Im Frühjahr wollte er sich einem Amateur-Quartett der Kirche anschließen. Er sang vor und wurde abgelehnt. Es machte ihm nicht allzuviel aus und er ging zur Tagesordnung über.

Ende April wechselte er seinen Job. Er hatte in der Fabrik immer wieder Ärger aufgrund seiner Frisur bekommen. Man hatte ihn sogar zum Friseurbesuch gezwungen. Das wollte er nicht länger hinnehmen und trat eine Stelle als Lastwagenfahrer bei Crown Electric an. Hier hatte er die Option, mit Besuch einer Abendschule, Elektriker zu werden. Dieses Vorhaben gab er jedoch bald auf, da sein Konzentrationsvermögen für diesen Beruf nicht ausreichte. Er blieb zunächst Fahrer.

Mitte Mai suchte eine recht erfolgreiche Band unter der Leitung von Eddie Bond, einen neuen Sänger. Elvis wurde zu einem Probe-Auftritt im Hi-Hat-Club eingeladen. Er war hypernervös und fiel durch.
Jahre später erzählte Bond, er sei wohl der einzige gewesen, der Elvis Presley direkt von der Bühne herunter gefeuert habe. Elvis sagte lange Zeit danach: "Bond sagte mir, dass ich es niemals als Sänger schaffen werde und ich solle Lastwagenfahrer bleiben. Oh Mann, dieser Hurensohn hat mir mein Herz gebrochen."

Er ließ sich jedoch nicht entmutigen. Oft endeten die Abende mit Dixie auf einem Parkplatz eines beliebten Jugend-Treffpunkts.
Dixie:"Er war nicht schüchtern, man musste ihn nur bitten - ich denke, er wollte sich einfach nicht aufdrängen. Niemand sonst machte es, niemand sonst hatte die Nerven dazu. Er sang Lieder, die gerade beliebt waren, und viele der alten bluesigen Stücke. Er spielte auch einige der alten Spirituals.Es war witzig. Von Anfang an war es, als hätte er eine Art Macht über die Leute, es war, als wären sie wie verwandelt. Es war nicht so, dass er die Aufmerksamkeit der Leute eingefordert hätte, aber ganz sicher reagierten sie so - es war egal, wie rau sie waren, oder ob sie nur so taten, als wären sie interessiert oder nicht, sobald er anfing zu singen, WAREN sie es. [...] Die Leute waren einfach fasziniert, und er liebte es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Ich denke, er hätte vor allen Einwohnern von Memphis singen können, es hätte ihm nichts ausgemacht."


Am 26.6. wurde er telefonisch von Marion Keisker für 15 Uhr ins Sun-Studio bestellt. Hier hatte er bereits 1953 und im Januar '54 insgesamt vier Songs privat aufgenommen. Sam Phillips wollte nun, dass er sich an einem Song versuchte, der eine Stimme "aus einer Kreuzung zwischen den Ink Spots und einem sentimentalen irischen Tenor" brauchte. Es handelte sich um ein trauriges Klagelied mit dem Titel "Without You".
Elvis bekam es nicht hin - aber Sam spürte, dass etwas besonderes in Elvis steckte. Er ließ ihn drei Stunden lang alles mögliche singen. Er ermunterte ihn immer wieder, aus sich heraus zu gehen und hielt die gesamte Zeit Blickkontakt durch die Scheibe des Regieraums. Elvis war sehr unsicher und schaute immer wieder, nach Bestätigung suchend, zu Sam hinüber.

Sam Phillips, Elvis, Marion Keisker



Wenige Tage später verreiste Dixie für zwei Wochen nach Florida. Beiden fiel die Trennung sehr schwer, aber für Elvis sollte sich während dieser Zeit einiges ändern.

Am 3.7. erzählte Sam Scotty Moore, der schon länger Kontakt zu den Sun-Studios hatte und auf der Suche nach einem erfolgreichen Weg ins Musikgeschäft war, von Elvis. Sam war der Meinung, dass Scotty, ggfs. mit Bill Black zusammen, den neuen jungen Sänger antesten sollten. Am nächsten Tag trafen sich Elvis, Bill und Scotty in Scottys Wohnung um einige Sachen auszuprobieren. Elvis war nervös und zappelig und beeindruckte die beiden nicht besonders. Aber sie fanden, dass er eine gute Stimme habe und teilten ihre Ansicht noch am gleichen Tag Sam mit. Dieser setzte für den folgenden Abend einen Studiotermin für Scotty, Bill und Elvis an.


Elvis, Bill Black, Scotty Moore, Sam Phillips



An jenem Tag probierten sie stundenlang herum, fanden aber nicht das richtige. Elvis wurde immer verbissener, da er seine Chance nutzen wollte. Er zeigte sämtliche Facetten seiner gesanglichen Fähigkeiten aber es kam kein Song zustande, den es nicht schon irgendwie gab. Irgendwann legten sie eine Pause ein, und Elvis begann plötzlich "That's All Right" zu singen. Bill und Scotty stiegen ein und Sam Phillips war völlig aus dem Häuschen. Er war überzeugt, dass sie soeben einen Hit gelandet hätten.


Die Single hat im Sun-Register die Nummer 209





Einige Tage später spielte Dewey Phillips, der eine Radioshow beim örtlichen Sender WHBQ moderierte, die Azetate, die Sam ihm gebracht hatte, rauf und runter. Das Telefon im Sender stand nicht mehr still - sogar Telegramme trafen ein. Die Zuhörer waren begeistert. Elvis, der sich nervös in einem Kino versteckt hatte, wurde von seinen Eltern aus der Vorstellung geholt. Er gab an diesem Abend sein erstes Radio-Interview.


Dewey Phillips und Sam Phillips (der gleiche Nachname ist Zufall)






Die lokale Musikwelt war in heller Aufregung über diesen neuen jungen Sänger mit seiner frischen amateurhaften Art und der spärlichen Instrumentierung. Es war klar, dass die Arbeit jetzt erst richtig begann. Um die erste Single zu veröffentlichen, musste eine B-Seite her. Die Arbeit daran gestaltete sich jedoch fast genauso mühsam wie die Entwicklung der A-Seite. Doch dann spielte Bill den veränderten Rhythmus in "Blue Moon Of Kentucky" und sang dazu. Es war nur eine Blödelei - aber die drei machten auch die B-Seite zu einem Hit.

Am 12.7. wurde Scotty Moore - auf Empfehlung von Sam - Manager der Gruppe.

Elvis schickte der ahnungslosen Dixie ein Telegramm nach Florida:
"Komm schnell nach Hause. Meine Platte läuft fantastisch."

Am Samstag, den 17.7. hatte Elvis seinen ersten Live-Auftritt mit Scotty und Bill. Sie präsentierten die beiden Songs im Bon Air Club. Elvis hatte Todesangst und war wie versteinert. Trotzdem kam er beim Publikum an.

Dixie kehrte wenige Tage später aus dem Urlaub zurück. Sie freute sich sehr für Elvis, hatte jedoch gleich das Gefühl, dass sich alles ändern würde. Als er zwei Tage später wieder im Bon Air Club auftrat, musste Dixie zu Hause bleiben, da sie mit ihren 16 Jahren nicht in den Club durfte. Abermals gewann er das Publikum für sich, und musste später noch einmal auf die Bühne, nämlich als er zurück kam um seinen Mantel zu holen, den er zuvor vergessen hatte.

Elvis, Scotty und Bill absolvierten in der folgenden Zeit zahlreiche Auftritte, u.a. am 30.7.54 im Overton Park, am 9.9. bei einer Warenhaus-Eröffnung und am 16.10. beim Louisiana Hayride in Shreveport (Einzelheiten bei den Konzert-Infos)


Im September wurde die 2.Single aufgenommen: "Good Rockin' Tonight" und "I Don't Care If The Sun Don't Shine". Sie hat die Nummer 210. Die Arbeit an der Single gestaltete sich ähnlich schwierig wie die "Entdeckung" von "That's All Right" und "Blue Moon Of Kentucky". Sie mussten unbedingt etwas finden, was den Erfolg der 1.Veröffentlichung fortsetzen würde. Sam Phillips war besonders hartnäckig - er wollte wieder "etwas besonderes, was es noch nicht gab".

Bob Neal, der das Trio seit dem Auftritt im Overton Park sehr genau beobachtet hatte, fragte nach dem erfolgreichen Hayride-Debüt bei Sam Phillips an, ob die "Band" einen Manager gebrauchen könne. Sam arrangierte ein Gespräch zwischen beiden Parteien. Da Scotty sich sehr gern nur der Musik widmen wollte, war er froh über das Angebot und übergab das Management an Bob Neal.

Am 20.10.54 verkündete der Memphis Press-Scimitar - etwas verfrüht - dass Elvis nun festes Mitglied der Louisiana Hayride sei. Obwohl es noch keinen Vertrag mit Shreveport gab, kündigten Elvis, Scotty und Bill ihre Jobs. Sie waren bereit für ein neues Leben.

Elvis war in Memphis zu einer Berühmtheit geworden. Er wurde überall erkannt und hatte das Gefühl, ständig auf einer Bühne zu stehen. Er konnte kaum mehr er selbst sein und wusste oft nicht, wie er sich verhalten sollte. Sein Misstrauen war besonders groß denjenigen gegenüber, die ihn vor seinem Erfolg gehänselt und ausgelacht hatten.

Am Freitag, den 29.10.54, trafen Oscar Davis und Colonel Tom Parker in Memphis ein um 2 Tage später die Eddy Arnold-Show im Ellis Auditorium anzusehen. Sie hatten schon von dem "Jungen" gehört, und Davis besuchte Elvis' Auftritt im Eagle's Nest.

Am 6.11.54 unterzeichneten Elvis' Eltern den Jahresvertrag zwischen ihrem Sohn und dem Louisiana Hayride. Der Vertrag sicherte Elvis einen Auftritt pro Woche für die Gage von 18$ zu.
In Shreveport fühlte Elvis sich zu der Zeit sehr wohl. Niemand kannte seine schwierige Vergangenheit, und er konnte sich frei sein neues Image aufbauen - und danach leben.

Im November trafen Elvis und Red West sich erstmals nach Schulentlassung wieder. Elvis lud ihn zu einem seiner nächsten Auftritte ein. Red nahm die Einladung an und wurde Elvis' Begleiter und Freund.

Ebenfalls im November liefen die Aufnahmen für die 3. Single-Veröffentlichung: "Milkcow Blues Boogie" und "You're A Heartbreaker". Die Platte kam jedoch erst 1955 auf den Markt.

Anfang Dezember kaufte sich Elvis eine 1942er Martin-Gitarre für 175$. Der Händler nahm seine Kindergitarre für 8$ in Zahlung und warf sie direkt auf einen Schrotthaufen. Elvis war schockiert und brauchte eine Zeit, um darüber hinweg zu kommen.

Die Beziehung zu Dixie existierte noch. Allerdings beschrieb sie, dass Elvis sich bereits verändert hatte. Er lebte in einer anderen Welt, war häufig gedanklich abwesend und natürlich auch seltener zu Hause. Sie verloren ihre Gemeinsamkeiten und Dixie konnte ihm in sein neues Leben nicht folgen. Über Heirat wurde nicht mehr gesprochen.
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Would you sign me an autograph? - Sure, Honey!


Geändert von honeybee (19.09.2017 um 20:18 Uhr) Grund: Text
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