Thema: Parker, Tom
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #5  
Alt 26.02.2008, 02:01
Benutzerbild von Eva
Eva Eva ist offline
Ehrenmitglied
 
Registriert seit: 02.02.2004
Ort: Berlin
Beiträge: 19.768
Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%Eva Renommee-Level 100%
"Colonel" Tom Parker (1961): Übermächtiger, übergewichtiger Manager

Thomas Andrew Parker, genannt "Colonel", war nicht der, als der er sich ausgab. Den Dienstgrad, mit dem er sich schmückte, hat er nicht in Schützengräben oder an der Kriegs-Schule erdient, der "Oberst" wurde ihm geschenkt, damals in Louisiana, als alles möglich war, solange man Kumpel hatte, die die Macht manipulierten. "Colonel" Parker war der Manager eines der größten Entertainer unserer Zeit: Elvis Presley. Der endete im Badezimmer seines "Graceland", im August 1977, eben 42 Jahre alt. Allein.
Die außerordentliche Geschichte von Parker und Presley hat Alanna Nash in ihrem kürzlich veröffentlichten Buch "The Colonel" (Verlag Simon & Schuster, New York) aufgeschrieben - der Mythos und der Manager, Megastar und Manipulator, Triumph und Tragödie, Shakespeares Drama in der Welt des Rock'n Roll. Keine Figur der Entertainment-Welt ist je umstrittener und mysteriöser gewesen, "größer als das Leben", wie Alanna Nash notiert, als Tom Parker.

Die Autorin, einst Popmusik-Kritikerin des "Louisville Courier Journal" in Kentucky, hat vor dem offenen, kupferbeschlagenen Sarg gestanden, in der die Ikone Elvis Presley ruhte: aufgedunsen, im weißen Anzug - blaues Oberhemd, silberfarbene Krawatte. Das war nicht mehr der Rock'n'Roller, der die Hüften schwang und Mädchen zur Hysterie trieb, wenn er "Love Me Tender" schluchzte. Elvis Presley war das Opfer seiner eigenen Exzesse geworden oder auch seines übergewichtigen, übermächtigen Managers.

Im Gegensatz zu Freunden und Vertrauten, die Elvis in schwarzen Anzügen gekleidet die letzte Ehre erwiesen, mischte sich Parker im Hawaii-Look unter die Trauergemeinde - er trug ein mit Palmen bedrucktes Seidenhemd und eine Baseballkappe. Er trat nicht an den Sarg, um Abschied zu nehmen von seinem Star, von dessen Einnahmen er rund 100 Millionen Dollar abkassierte, er verweigerte auch, den Sarg mitzutragen, so wie es Freunde und Familienmitglieder tun. Tom Parker, beobachtete Alanna Nash, blieb auch beim Begräbnis seines Schützlings so widersprüchlich, wie sein bisheriges Leben verlaufen war.

Der Manager und sein Schützling (im Kinofilm "Love Me Tender", 1957): Kontrolle über Leben und Image der Jugend-Ikone

Tatsächlich ist der Elvis-Manager nie US-Staatsbürger gewesen. Er ist 1909 im holländischen Breda geboren worden. Damals wurde sein Name mit Andreas Cornelius van Kuijk in das Geburtsregister eingetragen. Dieser Andreas gehörte, eine frühe Bindung zum Zirkus, zum fahrenden Volk. Am 17. Mai 1929 verschwand er spurlos: Kein Kontakt mehr zu seiner Familie. Keine Spur. An diesem 17. Mai wurde allerdings auch die Frau eines örtlichen Kartoffelhändlers erschlagen, die möglicherweise einen Einbrecher entdeckt hatte. Für eine Mord-Theorie, so Nash, gebe es keinen Beweis, nur mache es "eine Reihe von Umständen" unmöglich, "darüber nicht zu spekulieren". War der Elvis-Manager etwa ein Mörder?

"Was hat er außerhalb seines Refugiums Amerika gefürchtet", fragt die Autorin, "ein Mann, der sonst vor nichts Angst hatte?" Suspekt erschien Alanna Nash und anderen Autoren, die sich mit dem Enigma Tom Parker auseinander setzten, die Tatsache, dass Parker nie darauf drängte, Elvis Presley in Europa oder sonst wo in der Welt zu verpflichten. Als Presley 1958 seinen Militärdienst in der Nähe von Frankfurt ableistete, hat er ihn nie besucht - einige Anrufe, wenige Briefe, das war alles. Einen Elvis-Song gibt es aus dieser Zeit: "Muss i denn zum Städtele hinaus" - Parker wollte nie aus den USA hinaus. Auch als Elvis in Kanada die Hüften zuckte, sagte Parker seine Reise ab. Angeblich war er krank. Nie hat er sich um die US-Staatsbürgerschaft beworben, folglich besaß er keinen Pass. Der Antrag auf holländische Dokumente, so die Vermutung, hätte womöglich die Behörden seines Heimatlandes auf seine Spur gebracht.

Nie, so recherchierte Alanna Nash, habe der mächtige Manager klar erklärt, wie er überhaupt in die USA eingereist ist, ohne Papiere. Er hat, so viel scheint sicher, in den US-Streitkräften gedient, musste jedoch seinen Militärdienst vorzeitig beenden - in einer psychiatrischen Anstalt. Die Mediziner diagnostizierten einen "psychotischen Zustand" und "emotionale Instabilität", Krankheiten, die, wie die "New York Times" lästerte, "im Entertainment-Business nützlich sind." Parker hat über seine unrühmliche Zeit in Uniform nie geredet, wohl aber darauf bestanden, dass Elvis Presley ohne viel Gewese Soldat wird - vielleicht, weil er Enthüllungen des Pentagons über sein eigenes Leben fürchtete?

Soldat Presley (um 1959): Angst vor Enthüllungen des Pentagons?

Er war ein "Meister-Illusionist" im Musik-Business und im Business des Lebens, notiert die Autorin in ihrem "Colonel". Seinen Dienstgrad hat ihm ein Berater des damaligen Gouverneurs von Louisiana, Jimmie Davis, zugeschanzt, selbst zuvor Entertainer und Mitautor des Hits "You Are My Sunshine". Von jenem Tag an forderte der fliehende Holländer seine Vertrauten auf, ihn nur noch als "Oberst" anzusprechen. Zuvor hatte er Jahre lang in den Niederungen seiner Träume existiert. Er war in Güterzügen durch das Land gereist, einer der so genannten "Hobos", Vagabunden der Gleise. Er hatte im Wanderzirkus Elefanten gewaschen, Plakate geklebt, Tickets für die Gaukler verkauft und dabei gelernt, wie Zuschauer zu manipulieren und Shows zu verkaufen sind. Der Umstieg vom Zirkus zu Musikshows war für Parker mühelos. Statt Zauberer vermarktete er nun Country-Musiker.

Der "Ersatz-Colonel", wie die "New York Times" ihn nannte, verstand es, sich selbst und seine Klienten, zu denen auch Gene Austin zählte, ein US-Star, der zwischen 1924 und 1934 mehr als 86 Millionen Platten verkaufte, kongenial zu vermarkten. Im Oktober 1954, schreibt Alanna Nash, informierte ein Vertrauter Tom Parker über einen Jungen in Memphis, unten im südlichen Tennessee, der im "Eagle's Nest", einer örtlichen Kneipe, die Mädchen zum Schluchzen bringt: ein Bursche namens Elvis Presley. Und die Platte, die ihm ein Disc Jockey vorgespielt hatte "Blue Moon of Kentucky", sei umwerfend. Der "Colonel" reagierte - Elvis wurde sein Star.

"Kein Künstler ist jemals zuvor in der Musikszene so explodiert wie Elvis Presley 1956, und kein Manager vor Tom Parker", schreibt Alanna Nash, "war so brillant und unverfroren kapitalistisch." Parker, der eher die sanften Big-Band-Töne eines Lawrence Welk bevorzugte und sich mit dem Eau de Cologne "4711" parfümierte, wollte seinen Elvis als eine Kombination aus "der bedrohlichen Sexualität eines Marlon Brando" und der "verwirrten, sexuellen Spannung eines James Dean" verkaufen. Tatsächlich, so Nash, verlieh er der "mächtigen, wachsenden Jugendbewegung eine Stimme".

Drogenwrack Presley (1972): Parker zwang die Ikone, seine Verträge zu erfüllen

Elvis symbolisierte in jenen fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Rebellion, den Widerstand, die Alternative. Parkers größte Leistung in der Musikgeschichte, resümiert Nash, sei seine Fähigkeit gewesen, "die Karneval-Tradition im Alleingang zunächst auf Rock'n'Roll und dann das moderne Massen-Entertainment zu übertragen", jene Fundamente zu schaffen also, "an der sich Management und Merchandising der heutigen Musikindustrie" orientieren. Parker sicherte sich in seinem Vertrag mit Elvis nicht nur 25 Prozent (später 50 Prozent) aller Netto-Einnahmen, er kontrollierte auch das Image und das Leben der Jugend-Ikone. Während seine Fans Elvis als Rebellen verehrten, musste er auftreten, wann und wo der "Colonel" es wollte - allein in Las Vegas zwischen 1969 und 1976 in insgesamt 837 Vorstellungen.

Dank der ausgeklügelten Marketing-Strategie des "Colonels" wurde Elvis noch zu Lebzeiten eine von Mythen umwobene Legende. Mal wurde er als unberührter Jüngling verstanden, der "allein seine Mutter und den lieben Gott verehrt", dann wieder als "hüftwackelnder, geölter Gott der Sexualität." Parker war Elvis, Elvis war Parker. Gemeinsam scheffelten sie Millionen, gemeinsam stürzten sie ab. Der eine zerstörte sich mit Drogen, der andere mit Glücksspiel. Der Oberst, der allein den medialen und persönlichen Zugang zu Elvis ermöglichen konnte, wurde er von den Mafiosi in Las Vegas hofiert. Bereitwillig bewilligten sie dem Holländer nahezu unbegrenzte Kredite in ihren Casinos. Während Elvis auf der Bühne auftrat, hockte der Manager am Spieltisch. Verluste um 100.000 Dollar, ungefähr so viel wie Elvis pro Abend Gage kassierte, waren Normalität.

Alsbald, so Alanna Nash, kursierten Gerüchte, wonach der Manager seine Mafia-Schulden beglich, indem er den Gangstern ihm zustehende Elvis-Einnahmen prozentual abtrat. Zunehmend versank Elvis Presley unterdessen in Depressionen, versäumte Auftritte und wurde, wenn er es auf die Bühne schaffte, zu einer grotesken Peinlichkeit. Der verfettende Superstar hing an Spritzen und Tabletten. Parker überlebte derweil seinen vierten Herzanfall, doch allmählich verlor er die Kontrolle über seinen Star. 1977 waren die Spielschulden des "Colonels" allein im "Hilton"-Hotel in Las Vegas auf über 30 Millionen Dollar gewachsen. Elvis war krank und hinfällig, doch Parker zwang die Ikone, seine Verträge zu erfüllen. Für manchen Elvis-Vertrauten, schreibt Nash, war der Manager allein verantwortlich für das tragische Ende des Sängers. Denn für Parker, zitiert sie einen Freund des Stars, war der "tote Elvis einfacher zu kontrollieren als der lebende."

Phänomen Presley: Der Jugend eine Stimme verliehen

Der flüchtige Holländer überlebte Elvis Presley um zwei Jahrzehnte. Seine Millionen-Schulden - welch Wunder - verschwanden nach dem Ableben des Sängers schnell aus den Büchern der Kreditgeber. Fortan durfte Parker sich allerdings im Casino nur noch wie der gewöhnliche Tourist aus Iowa oder Kentucky an den billigen "einarmigen Banditen" verausgaben. Im Juni 1994, nach seinem zweiten Schlaganfall, versammelte das "Hilton"-Hotel die letzten Freunde zum 85. Geburtstag des "Colonels". Priscilla Presley, die ihren späteren Ehemann beim Militärdienst in Deutschland kennen gelernt hatte, flog aus L.A. ein und küsste den umstrittenen Manager auf die Wange. Parker wies mit dem Zeigefinger gen Himmel und erklärte: "Ich arbeite noch immer für dich, Elvis."

Knapp drei Jahre später starb Andreas Cornelius van Kuijk oder Thomas Parker, oder wer auch immer er war - Gefreiter, Oberst, Scharlatan, Genie, Totschläger. Sicher ist: Von dem Vermögen das Elvis Presley zusammen geschnulzt und gerockt hatte, waren nur noch 913.000 Dollar verblieben. Und keinen Cent davon vermachte er nach Holland.

Quelle: Spiegel.De
Die folgenden Nutzer bedankten sich bei Eva für diesen Beitrag: