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Alt 19.10.2017, 17:16
Wisdomy Wisdomy ist offline
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Zitat von cos Beitrag anzeigen
Ein Lied zu covern und als eigenständiger Künstler neu zu veröffentlichen hier mit einem Orchester auf die Originallieder draufgespielt, gleichzusetzen, ist schon sehr grenzwertig. Das eine ist eine "eigene" Version, das andere ist eben eine Veränderung des Originals, da dieser eben noch eine Rolle spielt.
Ja ich wusste das dieses Argument kommt, drum habe ich das schon vorsichtig formuliert. Das, was "eigen" ist, und das, was eine "Veränderung" ist, ist höchst umstritten. Da gibts auch noch vielmehr Begrifflichkeiten. In der Musikindustrie geht es da auch gar nicht um "verboten" und "erlaubt". Je nachdem, wie weit ein Remix - dabei bleibe ich jetzt mal da es sich bei der Christmas CD hier ja darum handelt - ein Original verändert, beläßt, erkennbar läßt oder unkenntlich macht, sind mehr oder weniger Rechte tangiert, deren Einverständnis man besitzen muss und im Falle des Vorliegens entsprechend bezahlen muss. Das ist im Prinzip schon alles. Hat man sie nicht, gehts eben nicht.

Und was gern vergessen wird: Ändere ich durch einen Remix mit zugrundeliegender Originalmusik bzw. Tonspuren das Original soweit, dass es kaum noch zu erkennen ist, erwerbe ich mit meinem Remix meinerseits neue Rechte, weil meine Produktion ein neues künstlerisches Werk darstellt. Und die Grenze wird im Einzelfall per Gericht gezogen.

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***
" Bei der phänomenologischen Betrachtung derartiger Produktionen lassen sich also
verschiedene Grade der Veränderung des Originalwerkes beobachten:

- veränderte Rhythmik, verändertes Tempo
- veränderter Klangeindruck/Transponierung
- veränderte Begleitmelodie
- veränderte Leitmelodie
- neuer Text

Für all diese Veränderungen liegt zunächst die Annahme einer Bearbeitung des Originalwerks
i.S.v. §§ 3, 23 UrhG nahe, da die Ursprungsversion ja gerade in ihrem individuellen Charakter
verändert werden soll.

Bei der rechtlichen Einordnung der verschiedenen Arten von Remixes und Coverversionen ist
jedoch das Recht der Bearbeitung sorgfältig nach zwei Seiten abzugrenzen:

1. Handelt es sich um so unerhebliche Veränderungen, daß der Grad einer Bearbeitung
i.S.v. § 3 UrhG nicht erreicht ist, sondern lediglich eine Neuinterpretation5 vorliegt?

2. Sind die Änderungen so drastisch, daß die neue Version im Vergleich zur
Ursprungsversion als ganz neues Werk erscheint, mithin also trotz § 24 Abs. 1 UrhG
("starrer Melodienschutz") lediglich eine freie Benutzung i.S.v. § 24 Abs. 1 UrhG
vorliegt?

BGH GRUR 1998, S. 376 ff.; BGH NJW 1998, S. 1393 ff.
vgl. BGH NJW 1998, 1393 ff = GRUR 1998, 376 ff “Coverversion”

Grundsätzlich gilt: Bleiben sowohl Haupt- als auch Begleitmelodie eines Musikwerkes als
wesentlich prägende Bestandteile des Werkes unverändert, so kann die Veränderung sonstiger
(rhythmischer oder klanglicher) Elemente das Vorliegen einer Bearbeitung nur begründen,
wenn sie einen Grad übersteigt, der höher liegt, als nach allgemein urheberrechtlichen Grund-
sätzen für eine Bearbeitung erforderlich.6 Wird diese Hürde nicht überschritten, so handelt es
sich nur um eine interpretative Umgestaltung7 des Originalwerkes, an welcher der Producer
kein eigenes Bearbeiterurheberrecht8 erwirbt. Haben die Änderungen an der Ausgangsversion
aber einen Grad erreicht, bei dem die neue Version im Vergleich zur ursprünglichen nicht nur
eigentümlich ist, sondern die Charakteristik der Ursprungsversion gegenüber den neuen
Elementen ganz in den Hintergrund tritt9, so liegt eine freie Benutzung vor, die ebenfalls nicht
dem Recht der Bearbeitung unterfällt.10 Letzteres ist bei Remixes durchaus denkbar, insbeson-
dere dann, wenn Folgeremixes als Ableitung eines ersten Remixes hergestellt werden und
insoweit das Original immer mehr verblaßt.

Demgegenüber beruhen Coverversionen gerade auf dem Prinzip, sich die Erkennbarkeit der
Melodie der Ursprungsversion zu eigen zu machen. In Ansehung des starren Melodienschutzes
gemäß § 24 Abs. 2 UrhG ist die neue Version daher regelmäßig als erlaubnispflichtige
Bearbeitung des Ausgangswerkes zu qualifizieren, da der neuen Version die erkennbare
Melodie der Ursprungsversion zugrunde gelegt worden ist.

D.
Rechtliche Zuordnung der einzelnen Erscheinungsformen

I.
Remix/Coverversion mit veränderter Rhythmik,
verändertem Tempo, verändertem Klangeindruck, Transposition

Wird bei einer neuen Version lediglich die Rhythmik, das Tempo, der Sound einzelner
"Instrumente" oder die Tonlage verändert (z.B. Dance Version), so ist dies in der Regel noch
keine Bearbeitung im urheberrechtlichen Sinne, sondern eine bloße Neuinterpretation des
zugrunde liegenden Musikwerkes.11

Zwar enthält die vorbezeichnete neue Version eine Reihe neuer Elemente, aber im Musikur-
heberrecht gilt ein Primat des Melodienschutzes12: Da die Melodie derart stark geschützt wird,
genießen andere Elemente wie Rhythmus, Klang u.ä. weniger starken Schutz13, da sonst eine

vgl. Fromm/Nordemann, Wilhelm (Hrsg.): Urheberrecht, Kommentar zum Urheberrechtsgesetz und zum
Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, 9. Auflage, Stuttgart 1998, Fromm/Nordemann-Nordemann/Vinck, § 3, Rz. 2f und 8f;
zum Primat des Melodienschutzes vgl. auch Fromm/Nordemann-Vinck, § 2, Rz. 46 und § 24, Rz. 14.
7
Fromm/Nordemann-Nordemann/Vinck, § 23 Rz. 1; Schricker, Gerhard (Hrsg.): Urheberrecht, Kommentar, 2. Auflage,
München 1999, Schricker-Loewenheim, § 3, Rz. 18.
8
Schricker-Loewenheim, § 3, Rz. 2 und 34 ff.
9
Fromm/Nordemann-Vinck, § 24, Rz. 2 a.E.
10
Schricker-Loewenheim, § 3, Rz. 5; Fromm/Nordemann-Vinck, § 23, Rz. 1.
11
vgl. Rehbinder, Manfred: Urheberrecht, 10. Auflage, München, 1998, Rz. 151 lit. a) zur “nichtschöpferischen
Umgestaltung”; Fromm/Nordemann-Nordemann/Vinck, § 3, Rz. 2f und 8f sowie Rz. 12, § 2 Rz. 46; Schricker-
Loewenheim, § 3, Rz. 26:
12
vgl. Fromm/Nordemann-Vinck, § 2, Rz. 46 und § 24, Rz. 14.
13
vgl. Schricker-Loewenheim, § 24, Rz. 29 a.E.

freie Benutzung - in Form einer Übernahme nicht geschützter Ideen - i.S.v. § 24 UrhG bei
Musikstücken überhaupt nicht möglich wäre.14

Wenn Rhythmik, Klang usw. aber im Gegensatz zur Melodie eines Werkes so wenig geschützt
sind, daß schon das Originalurheberrecht nicht an ihnen festmacht15, dann kann allein ihre
Veränderung auch kein Bearbeiterurheberrecht begründen.16 Die an den Schöpfungscharakter
der Bearbeitung zu stellenden Anforderungen sind grundsätzlich dieselben wie bei einem
Originalwerk.17 Wenn also kein eigenes Urheberrecht des Producers an der neuen Version18
entsteht, so bleibt nur das Recht des Originalurhebers übrig: Die neue Version stellt sich als
lediglich leichte Umgestaltung, mithin als bloße Neuinterpretation der Ausgangsversion dar.

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn schon die rhythmischen oder klanglichen Veränderungen
von solch erheblichem Ausmaße sind, dass der Zusammenhang mit dem Original nur noch sehr
vage erkennbar ist. In einem solchen Falle kann die neue Version nicht mehr als bloße
Neuinterpretation angesehen werden. Dann liegt eine Bearbeitung vor19, da wegen des starren
Melodienschutzes des § 24 Abs. 2 UrhG20 im Falle einer Melodieübernahme der Urheber der
Originalmelodie stets auch an dem neuen Werk mitberechtigt ist. "

*** Auszug aus:
RA Peter F. Schulz, Berlin, RRef. Dr. Caroline Cichon, München
“Remixes” und “Coverversionen”– Urheberrecht und Verwertung, 03/2004, jurawelt.com


Geändert von Mike (21.10.2017 um 19:18 Uhr)