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Alt 19.04.2006, 00:28
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Girlhappy Girlhappy ist offline
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Es war 1956 - da war ich zwölf Jahre alt. Ich durfte bei meiner Tante abends Radio hören und eines abends (die Sendung moderierte damals Cris Howland) sprach er von einem neuen amerikanischen Sänger. Und dann hörte ich ELVIS.

Ich kann nicht mehr sagen, was er sang - aber er hat mich mitten in mein Herz getroffen. Ich war wie elektrisiert. Elvis Presley - der Name hat sich eingeprägt. Ab da saß ich immer lauernd vor dem Radio und ich hörte ihn nun öfter.

Dann gab es kleine Bildchen, die ich sammelte. Mit meiner Freundin ging ich auf Suche nach Bildern von Elvis. Auf einmal kannten viele in der Schule Elvis

Wir hatten keinen Plattenspieler. Man kann sich das heute garnicht mehr vorstellen. Heute geht man ins Geschäft und kauft sich CDs, DVDs und und und. Wir hatten nichts. Nur die Stimme und ein paar Bildchen. Und er war sooooo schön.

In der Schule gab ich nichts mehr auf den Unterricht. Die Bildchen von Elvis hatte ich im Heft versteckt und guckte sie mir dauernd an. Unterricht war Nebensache. Und dann musste mein Vater in die Schule - das Resultat war, er hat meine Bildchen in den Ofen geschmissen. Ich habe ihn gehasst.

Mittlerweile gab es auch Jungens, die ganz verrückt nach Elvis waren und sich auch so die Haare kämmten und so weiter. Elvis war unser Rebell. Was hatten wir denn schon vorher? Die Jungens waren doch nur Abziehbilder ihrer Väter, die Töchter mussten im Haushalt helfen (was uns natürlich nicht geschadet hat). Man hatte gefälligst zu gehorchen. Eigene Meinungen waren tabu. Deutschland war ein muffiges, graues Pflaster mit ewig nörgelnden Menschen. Und die Schlager im Radio waren ja auch schlimm. "Unter der roten Laterne von St. Pauli" oder so ein Mist.

Elvis war nur für uns. Aber noch nicht einmal den gönnten sie uns.

Ich zog dann im Winter nach Bayern zu meiner Mutter. Da war es auch nicht besser. Sobald Elvis im Radio erklang, wurde es abgeschaltet. Das war doch der Teufel in Person. Warum eigentlich. Ich konnte das niemals verstehen. Auf jeden Fall habe ich die Dorfschulkinder mal aufgeklärt über Elvis.

(Als ich dann zum 50. Klassentreffen wieder dorthin fuhr, begrüßten mich meine Mädels: "Da kimmt die Ursel - Elvis-Presley-Fan".

Und dann kam der Film "Pulverdampf und heiße Lieder" in die Kinos. Auch in Bayern (*lol*). Ich habe mich heimlich ins Kino geschlichen (50 Pfennig kostete das). Und dann hatte ich bewegte Bilder von Elvis. Ich sah ihn lachen, singen, o mein Gott, er war ja so schön und ich war ganz hin und weg. Mein ganzes Taschengeld habe ich für ihn ausgegeben und bin ein paar Mal ins Kino geschlichen.

Dann kam er nach Deutschland. In den Wochenschauen konnten wir dann Elvis' Ankunft in Bremerhafen sehen. (Fernsehen gab es noch nicht für uns). Die Bravo war mein Retter. Eine Schulfreundin und ich wollten nach Bad Nauheim trampen. Aber am Dorfrand sozusagen haben sie uns schon erwischt und es gab Prügel ohne Ende.

Es war unmöglich - wie gerne wäre ich nach Bad Nauheim getrampt, um ihn einmal zu sehen.

Wenn ich heute so darüber nachdenke, dann kann ich meine Eltern nicht verstehen. Ich hätte meinem Sohn so etwas ohne weiteres erlaubt.

Aber es waren eben andere Zeiten. Und alle Mütter und Väter waren gegen Elvis. Man kann sich das überhaupt nicht vorstellen, was sie für einen Aufstand um ihn gemacht haben.

Vielleicht war es auch die Zeit, wo wir Teenager uns endlich mal etwas eigenes gesucht haben. Wo wir nicht mehr den alten Mist mit den Eltern teilen wollten. Das hat sie wohl erschreckt. Und wie ich zum Teil hysterisch reagiert habe, wenn meine Mutter das Radio abgeschaltet hat. Wie konnten die Kinder denn so ungezogen werden?

Na ja, mit 17 hatte ich dann meine Freiheit. Die Lehre war aus und ich zog alleine nach Düsseldorf. Und dort konnte ich mir meinen Elvis dann an die Wand hängen, so viel ich wollte. Und das war der erste Starschnitt aus der Bravo in Lebensgröße sozusagen. Und alle Wände waren voll Elvis.

Als mein Vater mich dann mal besuchte, ist er fast in Ohnmacht gefallen. O wehe, wenn er da dran gegangen wäre.

Mittlerweile hatte ich auch einen kleinen Plattenspieler und einige Platten von Elvis. Er war immer da.

Meine Nachbarin hatte einen Sohn, der war auch ganz verrückt nach Elvis. So hörten wir dauernd seine Platten und tanzten dazu. Jetzt konnte ich auch ausgehen und überall war Elvis.

Elvis hat mich immer begleitet. War ich traurig, hat er mich getröstet. Nur trat er etwas in den Hintergrund. Ehe, Kind, das wahre Leben.

In meinem Herzen war er immer. Aber ich habe mich keinen Fan-Clubs angeschlossen oder etwas gesammelt.

Was mir am meisten weh tut, ist, dass ich in den 70ern nicht nach Vegas geflogen bin. Wenn ich etwas sehr bereue, dann ist es das.

Erst mit dem PC - und weil ich schon einige Jahre alleine bin - habe ich wieder so richtig zu Elvis gefunden. Es gibt sie ja noch, die Elvis-Welt und wie. Jetzt ist mein Schlafzimmer wieder voll mit Elvis-Bildern an der Wand und ich habe vor drei Jahren angefangen, zu sammeln.

Ich war 2002 in Bad Nauheim und habe im Elvis-Zimmer geschlafen im Hotel Grunewald. Im März 2003 war ich in Graceland - wenigstens den Traum habe ich mir erfüllt. Ich habe kurzentschlossen gebucht und bin mit 58 Jahren alleine nach Memphis geflogen.
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