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Alt 11.03.2006, 14:58
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★ Sommer 1968 - The Burbank Productions


Der 3. Dezember 1968, 21 Uhr östlicher Zeit, NBC.

Röhren glühten, Transistoren krachten;
Irgendjemand entfernte den letzten Rest vom Abendessen aus Opas Mundwinkel, neigte sich an dessen gutes Ohr und sagte ihm, dass er ins Wohnzimmer kommen sollte –
Elvis würde irgendetwas im Fernsehen machen. Eine panische Mutter schickte ihre noch panischere Tochter nach der Programmzeitung, um nur ja den richtigen Sender zu finden.

Es war die Rückkehr vom seichten Film zum rauhen Rock (gesponsert von einer namhaften Nähmaschinenfirma), die hier und jetzt ihre Premiere bestreiten sollte.

Die Kamera fuhr zurück und ließ den Künstler erkennen – doch es war kein weihnachtlich jovaler Familienentertainer, der da stand, sondern ein geschmeidiges Etwas in Schwarz.
Mit einem blutroten Halstuch und einer tief in den Hüften hängenden Gitarre.
Elvis blickte direkt in die Kamera und knurrte „If you´re looking for trouble, you came to the right place...“

Seine Blicke betäubend, seine Sinnlichkeit Funken sprühend – die Zweifler, in ihrer Skepsis vollkommen erschüttert, fühlten ihren Puls hochjagen.
Was sich in diesen ersten Augenblicken entwickelte, war ein Wagnis, eine Deklaration von Kraft.
Zuerst ein Zugeständnis an die Konkurrenz, dann die Entlassung derselben. Innerhalb von 60 Sekunden hatte Elvis seine Herrschaft deutlich gemacht.



Der verdunkelte Hintergrund wurde langsam hell, enthüllte den ultimativen Ausdruck von Selbstvertrauen und Courage.
Die Lichter gingen an und gaben den Blick auf die Bühne frei, die gefüllt war mit Dutzenden von Silhouetten – einige davon über vier Fuß hoch.
Jede Einzelne davon eingerahmt, jede mit einer Gitarre.



Nach einem mitreißenden Medley aus „Trouble“ und „Guitarman“ folgten zwei Takes aus den Sitdown-Shows, „Lawdy Miss Clawdy“ und „What You Want Me To Do“.
Danach ein Schnitt zu den Takes der Standup-Show, die mit genügend Klassikern aufwartete.
Von „Heartbreak Hotel“ und „Hound Dog“, über “All Shook Up“, „Can´t help Falling In Love“ bis hin zu „Jailhouse Rock“ und „Love Me Tender“.




Eingeleitet von Pianoklängen begann der zweite Abschnitt der Show –
Elvis kam die Treppe herunter, in einem weinroten, lässig geschnittenen Anzug und mit einem weißen Halstuch.
Ein zugleich berührendes und mitreißendes Medley aus drei (noch dazu sehr verschiedenen) Gospelsongs folgte, untermalt von Einlagen einer Tanzgruppe.
Spätestens hier wurde klar, wo seine Wurzeln lagen. „Where could I go but the Lord“, „Up Above My Head“ und „Saved“, bei denen er von einem Gospelchor begleitet wurde.



Ein weiterer Schnitt brachte die Zuseher erneut zu den Sitdown-Shows, diesmal mit einer energiegeladenen Version von „Tiger Man“,
einem schluchzenden „Tryin To Get To You“ und einer neuen, wunderschönen Ballade, „Memories“.



Der letzte Teil des Specials brachte die Fans wieder ins Studio, wo sie die besten Songs aus den letzten 29 Filmen erwarteten.
Das sogenannte „Roadmedley“ war zu einer kurzen Story zusammengebaut worden, die die Abenteuer eines jungen Ausreißers skizzierte.
In verschiedenen Kostümen (darunter auch das berühmte, goldene Glitzerjackett) sang sich Elvis durch „Nothingville“, „Big Boss Man“,
Guitar Man“, „Little Egypt“ sowie „Trouble“; und schliesslich brachte er eine neue, letzte Strophe von „Guitar Man“.



Nun hieß es: ...

“Well, I come a long way from the carwash,
got to where I said I´d get
now that I´m here I know for sure,
I really ain´t got there yet
So I think I´ll start all over, sling my guitar on my back
I´m gonna get myself back on the track,
and I´ll never ever gonna look back
I´ll never be more than what I am,
wouldn´t you know I´m a swinging little guitar man...“


Was danach folgte, war wohl der Höhepunkt des Abends.
Eigens für die Sendung war ein neues Lied komponiert worden, basierend auf einer Rede von Martin Luther King.
Elvis kam auf die Bühne, in einem wunderschönen weißen Anzug mit einem roten Halstuch. Und er verlor sich selbst in dem Song.
Als der Applaus begann, bebte das Studio. Elvis hob triumphierend die Arme, dann stand er da. Schüchtern, fast demütig, mit herabhängenden Armen..
„Thank you, good night...“
Er war den Tränen nahe. Nicht nur er...




******************************************************************************************************************

Aber wie war es eigentlich zu diesem Comeback gekommen? Nun, am 18. Januar 1968 hatte die Variety folgende Schlagzeile:
„Presley´s doppelter Deal mit NBC“

Die Story enthüllte Elvis´ schriftliche Abmachung, eine Dokumentation und ein Special zu drehen. NBC hatte Parker angeboten, ein TV-Special zur Weihnachtszeit zu machen.
Es sollte Elvis´ erster TV-Auftritt seit der Sinatra-Show im Jahr 1960 werden.

Die erste post-militärische Pressekonferenz bezeichnete das Geschäft als Meilenstein. Parker gab den Weg vor, ihm folgten Binder und Finkel.
Sie waren für alle Fragen offen, das Komikerduo Parker/Presley blühte zur Höchstform auf. Zur Frage, warum er die Show mache, meinte Elvis grinsend
„Wir haben erkannt, dass es Zeit dafür war. Außerdem dachte ich – ich mach´s besser jetzt, bevor ich zu alt dafür bin.“
Parker unterbrach ihn hier, um hinzuzufügen„Wir haben auch ein sehr gutes Geschäft dabei gemacht!“

Natürlich wollte die Presse unbedingt wissen, ob Elvis in der Show auch schauspielern oder gar singen würde.
„Ich werde ganz sicher singen, und zwar ausschliesslich die Lieder, für die ich bekannt bin.“
Parker darauf: „Wenn er alle Lieder singt, für die er bekannt ist, wird es wohl ein paar Stunden dauern.“

„Mr. Presley, hat sich ihr Publikum sehr verändert?“
„Nun, sie bewegen sich nicht mehr so schnell, wie sie gerne möchten...“

Als Parker gefragt wurde, warum er überhaupt zum Fernsehen gegangen war, lächelt er wissend.
„Wie sie alle wissen, haben wir nächsten Monat einen Mund mehr zu stopfen – und wir brauchen das extra Einkommen“ (Nur zwei Wochen später kam Lisa Marie zur Welt)

Die Firma „Singer Nähmaschinen“ sponserte die Sendung mit kolportierten 400.000,- Dollar. Deren Projektleiter, A. DiScipio war mit Binders Idee einverstanden, was an sich ein mutiger Schritt war.
Denn es war zu bedenken, dass Singer eventuell einer Version, ähnlich der PerryComo Show, den Vorzug gab.
Darüberhinaus hatte Singer eine LP mit großteils unveröffentlichten Songs von Elvis, die ab Oktober in den Regalen stehen sollte.

Nur, was aber genau führte eigentlich zur Notwendigkeit dieses Comebacks? Was war der Auslöser?

Die Celluloidjahre waren von gemischten Gefühlen gepflastert. Die Filme waren einfach, manchmal lustig zu machen gewesen.
Lustig anzusehen und immer profitabel. Auch wenn die Einnahmen von Streifen zu Streifen geringer wurden, es war eine bequeme Abwechslung zur Bühne, wo die Konzerte
(für die Kritiker) immer weniger mit der Darbietung und immer mehr mit dem Publikum zu tun hatten.

Doch während dieser Zeit setzte eine Art Lieblosigkeit ein. Die Musik, die immer der Funke gewesen war, wurde von den Filmen diktiert. Und diese wiederum leider von allzu naiven Drehbüchern.
Es war korrekt, dass die meisten seiner Kollegen und Konkurrenten immer mehr Platten absetzen konnten, während seine eigenen Verkäufe langsam zurückgingen.

Aber Elvis hatte sich mit der Apathie seiner Fans nie konkret auseinandergesetzt. Er hörte mit den Konzerten auf, als er sich selbst nicht mehr hören konnte – in Hollywood musste er sich nicht spielen hören. Zwischen ´61 und´68 , als er aufgehört hatte, live aufzutreten, waren nur zwei seiner Singles in den Charts gewesen. „Good Luck Charm“ hatte ´62 gerade noch den ersten Platz geschafft, „Crying In The Chapel“ kam ´65 nur knapp in die Top Ten.

Die Filme und die begleitenden Alben, früher Garanten für steigende Absätze, brachten von Mal zu Mal weniger ein. Aber auch die neuen, besseren Aufnahmen, die Elvis herausbrachte,
wurden großteils ignoriert. Darunter befanden sich Titel wie „Indescribably Blue“, „U.S.Male“ und „Guitar Man“.

Der Wendepunkt kam 1966 mit dem ersten Doppelpack von Elvis und Felton Jarvis. Aus dieser Zusammenarbeit entstand ein Gospelalbum mit dem Titel „How Great Thou Art“, welches Elvis
den ersten Grammy einbrachte. Ende des darauffolgenden Jahres kehrte das Team zu seinen Blueswurzeln zurück und der „Big Boss Man“ durchbrach die Top 40.
Das brachte die Lust und die Freude an der Musik zurück – ein Gefühl, dass nach seiner Armeezeit immer mehr verebbt war.
Und in einer gewissen Weise war Elvis froh darüber, so lange nicht mehr aufgetreten zu sein – denn so war die Rarität seiner Auftritte ein weiterer Bonus.

Aber nicht nur seine eigene Karriere, auch andere Umstände machten eine Rückkehr mehr als notwendig.
Seine allmählich wachsende Affäre mit Hollywood war zu einer des-illusionierten Ehe gereift, und in dieser Zeit hatten die Beatles die Herrschaft über sein früheres Königreich übernommen.
Die Politik des Landes hatte sich radikal geändert – Kennedy war relativ schnell an die Macht gekommen, aber auch genauso schnell wieder zum Schweigen gebracht worden.

****

Die Version, die Parker im Sinn gehabt hatte, war jedoch eine gänzlich andere als die, die schließlich über die Bühne ging. Denn nach seiner Vorstellung sollte Elvis im Smoking auftreten
und einige der bekanntesten Weihnachtslieder singen; und das mit einer Verbeugung und einem artigen „Good evening, ladies and gentlemen"
.. das Ganze am Besten unter dem Titel „Elvis and the Wonderful World of Christmas“. Und auch die Mischung Binder/Howe wollte Parker nicht gefallen, doch Elvis nahm die beiden in Schutz.
„Hey Leute, wir machen das, was wir wollen. Keine Sorge!“

Es sollte kein Adventspecial werden, also nahm Elvis auch in der Setlist keine Rücksicht auf die Jahreszeit.
Und eine weitere Vereinbarung garantierte, daß es neben ihm keine Stargäste geben würde. Die Show stand und fiel mit ihm.



Das Herausragende an der Show war einerseits, daß Elvis genau wußte, welch großer und mutiger Schritt notwendig dazu war;
andererseits die Sicherheit, daß NBC einen jungen, mutigen Regisseur unter Vertrag genommen hatte, der die ideale Vision dazu hatte.
Steve Binder war gerade mal 23 und sein Können wurde an Events wie dem „Hullaballoo“ oder der „T.A.M.I. Show“ gemessen.
Zu dieser Zeit stand er gerade im Kreuzfeuer der Presse, weil er (entgegen seiner Direktive) Petula Clark in deren Special gestattet hatte, Harry Belafonte zu küssen.

Doch Binder´s Version der Show war eine andere als die seines Partners Howe. Dieser war bereits bei früheren Aufnahme-sessions Elvis´ dabei gewesen und hatte sich daran erinnert.
Damals hatte Phillips die Bänder immer wieder zurückgespult und Elvis gebeten, sein Gefühl wiederzufinden. Und genau dieses Gefühl wollte er bei seinem Star wieder hervorholen.

Das Hauptthema war die Geschichte eines jungen Mannes, der sein Heim verlassen hatte, um in eine kalte, grausame Welt aufzubrechen. Ein bekanntes Thema, so wie die Selbstfindung eine
populäre Art des Weglaufens in den 60ern war. Eine Zeit, in der zahllose Jugendliche ihr Heim hinter sich ließen, um ihrem Traum zu folgen..
So gesehen war die Story aktueller denn je, denn die Jugend war nicht nur politisch, sondern auch musikalisch desorientiert. (Nach dem Rausch von „Sgt.Pepper“ herrschte eine Katerstimmung –
das Gefühl, den Kontakt zu den Ursprüngen der Musik verloren zu haben) Elvis als junger, unschuldiger „Guitar man“, auf der Suche nach Ruhm und Anerkennung.
Ein Medley aus „Big boss man“, „It hurts me“ und 5 weiteren Songs sollte eine Reise durch Abenteuer und Rückschläge eröffnen.

Für diese Zeitreise gingen beinahe zwei volle Drehtage drauf, das Script wurde mehr als nur einmal umgeschrieben, ebenso wie die Setlist. Das erste, was unter die Schere kam, war die Bordellszene.

Binder dazu:
„Das erste, was der Junge tut, ist, ins Bordell zu gehen. Klar, daß er mit einem der Mädchen ins Bett geht – guten Geschmack hin oder her. Doch die, die er sich aussucht,
ist ausgerechnet Purity, die einzige ohne Erfahrung.“

(In der Wiederholung, die am 17. August ´69 ausgestrahlt wurde, waren jedoch auch die Szenen für“Let Yourself Go“ und „Little Less Conversation“ enthalten – ebenso wie in der Videofassung)



Zwischendurch sollte vielleicht erwähnt werden, daß die Schlüsselszenen komplett in den Western Recorders in Hollywood aufgezeichnet wurden, also ohne Publikum.
Die Tänzer und Schauspieler, die Elvis dabei begleiteten, waren „The Blossoms“ und die „Claude Thompson dancers“.

Binder hatte Goldenberg als musikalischen Arrangeur angeheuert.
„Was ich mit Elvis immer verband“, meinte er, „war etwas Rohes, Schlimmes...etwas grundliegend sexuelles. Sehen sie, die meisten seiner Filme zeigten ihn als den netten Jungen
von nebenan, den Helden – doch das war nicht er selbst. Bei gewissen Arten von Gewalttätigkeiten war er aufgeregt und nervös.“


Es schien, als hätten Binder und Goldenberg in dieser Hinsicht einiges gemeinsam. Sicher, die Show hätte auch damit beginnen können, daß Elvis durch einen Vorhang aus Lampions und Girlanden trat.
Stattdessen fing alles mit „Trouble“ an – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein wenig hart und brutal – aber mit einem Elvis, der bedrohlicher und anziehender wirkte als je zuvor.

Goldenberg´s Arrangements beinhalteten das NBC Orchestra und das Los Angeles „A-Team“. Der Klang war voll und harmonisch, spornte Elvis dazu an, immer mehr von sich zu geben,
um nicht darin unterzugehen.
Sein effektivster Einsatz war wohl das Gospelmedley, denn dabei hatte er drei sehr verschiedene Songs zusammenzufügen. Am Anfang stand „Sometimes I feel like a motherless child“,
das Darlene Love in einem bewegenden Solo vortrug. Dann setzte Elvis mit mit „Where could I go but the Lord“ ein, einem Standardgospel von Coat, den Elvis bereits seit seiner Kindheit kannte.
Er hatte den Song auch schon für „How Great Thou Art“ aufgenommen. „Up Above My Head“, eine alte, schwarze Gospelnummer, war von Brown extra für die Show adaptiert worden.
Schließlich kam mit Leiber & Stoller´s „Saved“ ein Gospel, mit dem LaVern Baker schon ´61 einen Hit gelandet hatte. Zu einem irren Double-shuffle-rhythmus lieferte Elvis beinahe eine Parodie, besonders bei Zeilen wie „..I used to lie, cheat and step on people´s feet..“, so als ob sein Leben genauso verlaufen wäre.

Um die Schlußnummer schließlich gab es heftige Diskussionen. Der Colonel wollte „I´ll Be Home For Christmas“, gefolgt von einem weihnachtlichen Segen Elvis´.
Binder und Howe jedoch wollten etwas Gewagteres, einfach anders. Nun war das Talent von Brown wieder gefragt. Ironischerweise war Brown einige Jahre vor Elvis bei RCA
unter Vertrag gewesen, damals mit den „Sky larks“. Mit dem Wissen, daß er ein kraftvolles, originelles Lied benötigte, um den Weihnachtssong auszubooten, ging Brown nach Hause.
Er sollte den besten Song seiner Karierre schreiben.

Binder:
„Am nächsten Morgen rief er mich gegen 07 Uhr an und rief ´Ich hab`s!´“ Was der Komponist hatte, war „If I Can Dream“.
In einer Zeit, als die Feindschaft zwischen Kennedy und Martin Luther King erwachte, war der Song so etwas wie ein Gebet für Frieden und Aussöhnung – während das Land sich zu spalten schien.
Brown spielte Elvis das Lied sechsmal vor; ihm, der nie zuvor ein Lied mit politischer Aussage gemacht hatte.
Auch hatten seine Songs bis dahin keine Botschaft enthalten. Doch Elvis wollte es machen, er zog es durch. Als Beispiel dafür, wie weit er seine persönliche Meinung verdrängte,
muß man sich an Folgendes erinnern: exakt ein Jahr zuvor hatte er für „Speedway“ Songs wie „Five Sleepy Heads“ oder „He´s Your Uncle, Not Your Dad“ aufgenommen.

Trotzdem war der Song nicht rein politisch angelegt; er umschrieb einfach die gütige, geistige Einstellung, die auch Elvis selbst besaß.
Es war erhebend, doch nicht umwälzend – und somit ein logischer Abschluß. Anmerkung: als Elvis die Playbacks dazu hörte, meinte er:
„Ich werde nie mehr Songs oder Filme machen, an die ich nicht wirklich glauben kann.“

Selbst die Einwände des Colonels sollten zunichte gemacht werden; nämlich dadurch, dass Elvis eine Art von Verpflichtung an den Tag legte, die er jahrelang nicht gezeigt hatte.

****

Nach den schweißtreibenden Aufnahmen sprach Elvis mit seinem Cousin Billy über die Arbeit.
„Ich hatte Todesangst! Mann, weißt du, als wir die Szenen aufnahmen. Ich wußte nicht, wie sie darauf reagieren würden. Doch etwas, was immer bei mir war, war meine Musik.
Ich wollte zurück – dahin, wo ich herkomme.“


In den Verträgen war anfangs festgehalten worden, dass Elvis nicht vor Publikum auftreten würde. Doch Binder war es zu verdanken, daß alles anders kam.
Joe Esposito erinnert sich:
„Die Proben und Aufnahmen waren derart intensiv, daß wir auf Rollbetten, die sie uns zu Verfügung gestellt hatten, in den Garderoben schliefen.
El arbeitete fieberhaft, immer daran denkend, was auf dem Spiel stand. Zwischen den Takes saßen wir alle zusammen in seiner Garderobe und jammten.
Es war keine Probe im eigentlichen Sinn – nein, wir spielten, um uns zu entspannen. Diese Seite von ihm kannten bisher nur wenige.“


Binder platzte eher zufällig in eine dieser Sessions und seine erste Idee war es, sie mit der Kamera einzufangen. Im Endeffekt war es das Konzept für die Shows,
die heute als „Sitdown“ bekannt sind. Elvis würde ungezwungen dasitzen, im Kreis seiner Freunde, um mit ihnen zu spielen und zu scherzen – wie in der Garderobe.
Am 24. begannen die Jungs mit den Proben und Joe schnitt drei der Songs auf Band mit, damit Elvis in etwa eine Vorstellung davon hatte,
wie das Ganze klingen würde bzw sollte. Und Elvis mußte gewußt haben, was er da auf Band hatte – denn nach zähen Verhandlungen und noch mehr gutem Zureden war er schließlich soweit,
live vor Publikum zu spielen.

Daraufhin organisierte Binder 4 Shows (*) für den 27. und 28., jeweils um 18und um 20 Uhr. Doch kurz vor der ersten Show sagte Elvis plötzlich wieder ab, er hatte es sich anders überlegt.
Tatsache war, daß er in der Garderobe Todesängste ausgestanden hatte. „Ich bin seit 8 Jahren nicht mehr live aufgetreten. Was, wenn sie mich nicht mehr mögen; wenn sie mich auslachen?“
Dazu kam, daß Belew eigens dafür einen schwarzen Lederanzug entworfen hatte (allerdings in der fälschlichen Annahme, er wäre in jungen Jahren ebenfalls in Leder aufgetreten) und Elvis
nun nicht wußte, wie dieser im Scheinwerferlicht wirken würde.
Davon abgesehen sollte er nun auch mit den Leuten reden, etwas, was er nie getan hatte. Gut, er hatte in den ersten Tagen noch Witze erzählt, aber ab´56 hatte man davon sowieso
nichts mehr verstanden.

Erst als Joe mit ihm sprach, war er wieder soweit in Ordnung.
„Es war ergreifend; schwer für mich, diese Megapräsenz mit meinem Kumpel in Einklang zu bringen. Der Junge, mit dem ich Mädchen aufgerissen hatte und Fußball gespielt ..
Ställe ausgemistet. Dann erst verstand ich wirklich, daß El vorhatte, da draußen für die ganze Welt zu spielen.“


Manchmal, wenn er das getan hatte, was ja im Grunde nur natürlich gewesen war, war er vielen wie ein Prophet vorgekommen, dann wieder wie ein Genie. Sollten die anderen nur Idioten aus
sich machen mit ihrer Technologie, ihren Wah-wah-pedalen, den Overdubs und Rocksymphonien. Den poetisch angehauchten, sozialkritischen Texten. Elvis wollte zurück in die Garagen und
Turnhallen – und indem er das tat, machte er seinen Anspruch auf den Rock´n´roll deutlich geltend.

Doch welche Gründe auch immer er dagegen angeführt hatte, die erste Show machte sie allesamt zunichte. Seine Fans, sein Publikum – sie hatten ihn nicht vergessen.
Die schlechten Chartplazierungen und die flauen Absätze bedeuteten nur, daß sie auf Etwas warteten. Darauf, daß er wieder zu sich selbst fand.
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Hinweis in eigener Sache:
wenn du glaubst, dass ich mich dir gegenüber wie ein Arschloch verhalte, kannst du ziemlich sicher sein, dass du es verdient hast
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