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Alt 24.06.2005, 20:35
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Teil 2


Während der Dreharbeiten kam Elvis' Vater einige Male vorbei und plauderte sehr nett mit mir. Er hatte ziemliche Angst um den Hubschrauberpiloten, der die Stunts für den Film machte. Vernon erzählte, daß der Pilot die Maschinen oben am Berggipfel ausgeschaltet hätte und den ganzen Weg zum Meer 'hinuntergesegelt' sei. Er hatte den Motor erst im letzten Moment wieder eingeschaltet und laut Papa Vernon hätten nur ein paar Handbreit zum Aufschlag auf der Wasseroberfläche gefehlt. Er versprach mir, dafür zu sorgen, daß mich einer der 'Jungs' zurückbringen würde.

Als die Dreharbeiten für diesen Tag beendet waren, rannte Elvis in seine Garderobe und kam in einem weißen Shirt zurück, in dem er für ein paar Publicityfotos posierte. Danach machten er und die Jungs sich auf den Weg zu den Autos. Als er an einen kleinen Bach kam, nicht mehr als ein armseliges Rinnsal, riß er die Arme in gepielter Panik in die Höhe und balancierte am Rand. Einer der Leibwächter schubste ihn, er sprang hinüber und lachend liefen sie zu den Autos. Sonny holte mich ab und wir gingen hinüber zu der ziemlich schlechten Straße, wo einige der Wagen bereits wegfuhren. Der blaue Cadillac von Elvis glitt vorbei und ich hörte eine Stimme "Goodbye!" rufen, aber ich weiß bis heute nicht, ob es Elvis war. Das nächste Auto hielt an, Sonny verstaute mich am Beifahrersitz und stieg selbst ein. Einige von Elvis' Freunden waren hier und es war laut; alle lachten, redeten und scherzten. Es war wohl eine typische Männerunterhaltung mit ein paar sehr deftigen Ausdrücken und plötzlich rief Sonny: "He! Jungs, reißt Euch zusammen!" Mit einem Mal war Totenstille und ich konnte jedermanns Blicke auf meinem Hinterkopf spüren. Ich fühlte es geradezu, wie sich alle bemühten, für ein paar Minuten keine allzu derben Worte zu sagen.

Mittlerweile konzentrierte ich mich auf den Caddy vor mir; Elvis saß rechts am Rücksitz. Er war nach wie vor unablässig in Bewegung. Entweder versuchte er die Zweige der Büsche zu fassen, an denen wir vorbeifuhren, oder er lehnte mit dem Arm am offenen Fenster und trommelte mit den Fingern irgendeinen wilden Rhythmus auf das Wagendach. Als wir zu den Toren kamen, wo der Weg in den Highway mündete, versuchten die dort wartenden Fans, ihn irgendwie zu erreichen. Elvis verrenkte sich und fiel halb aus dem Fenster, als er die Hand eines Mädchens erwischte, sie kurz hielt, ehe der Wagen auf die Straße nach Waikiki bog und davonfuhr. Nach meinen Gesprächen mit Vernon und einigen von den 'Jungs' hatte ich mich ziemlich beruhigt. Aber jetzt, da ich wieder zurück in der Wirklichkeit war und die Mädchen bei seinem Anblick laut aufgekreischt hatten, wurde es mir mit einem Schlag bewußt: Ich hatte Elvis Presley getroffen und mit ihm geplaudert!

In all den kommenden Jahren war er für mich nur Elvis, einfach ein unglaublich netter Typ. Erst aus der Distanz wurde mir immer wieder klar, daß es 'der' Elvis Presley war. Ich glaube auch, daß er persönlich mit jener Gruppe Fans, die ihn wie einen ganz gewöhnlichen Menschen und nicht wie den Superstar behandelten, jedesmal eine sehr erfrischende Zeit verbrachte.

Als wir am nächsten Tag versuchten, bei den Dreharbeiten dabeizusein, mußten wir erfahren, daß sich der ganze Troß in das Polynesian Cultural Center begeben hatte. Vernon Presley bemühte sich zwar, uns dort unterzubringen, kam aber schließlich unverrichteter Dinge zurück: Die Sicherheitsvorschriften seien so streng, daß es auch ihm nicht möglich gewesen war, eine Ausnahme zu erwirken. Er riet uns jedoch, zu einer bestimmten Stelle in der Lagune zu pilgern, wo wir direkt gegenüber vom Drehort wären. Er war auch so nett, ein Souvenir, das ich aus Tupelo mitgebracht hatte, von Elvis unterschreiben zu lassen. Es war ein kleines, hölzernes Häuschen mit der Aufschrift 'Tupelo Relief Office' auf der Vorderseite. Vernon lachte, als er es sah und erzählte ein paar Minuten später, als er es mir zurückgab, daß Elvis auch so reagierte. Wir suchten die Stelle, die Vernon beschrieben hatte und befanden uns tatsächlich genau gegenüber vom Drehort. Elvis benutzte das Sommerhaus der Königin von Tonga als Garderobe und war zum Zeitpunkt unserer Ankunft mit seinem Lunch beschäftigt. Ein wenig später kam er heraus; er trug khakifarbene Hosen und ein kurzärmeliges Hemd. Es war geplant, Elvis mit einem seiner Co-Stars in einem Kanu quer über die Lagune zu ziehen und zu filmen, während er Drums Of The Islands sang. Sie versuchten die Szene einige Male und brachten das Kanu jedesmal an den Ausgangspunkt zurück. Nach der letzten Aufnahme wendeten sie das Boot und kamen zu unserer Seite, sodaß wir Elvis ganz aus der Nähe sehen konnten. Sein Haar war perfekt gestylt und kunstvoll zurückgekämmt, mit Ausnahme der einen, berühmten Locke. Er machte weit mehr den Eindruck des Filmstars als am Tag zuvor. Lächelnd winkte er uns allen zu; jemand warf ihm einen Lei hinüber und er trug ihn nach Tahiti-Art. Als dann die Trommeln immer langsamer schlugen, beugte sich Elvis mehr und mehr nach vorne, bis einer der anderen Darsteller ihn wieder aufrichtete. Er lachte dabei wie ein kleiner Junge. Manchmal habe ich mich gefragt, ob er all diese Dinge zu seinem oder unserem Vergnügen tat - wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem. Zwischendurch entspannte er sich in seiner Garderobe. Einmal kam er heraus, um zu sehen, ob er irgendwo gebraucht würde, und ein anderes Mal streckte er nur seinen Arm aus der Türöffnung, um zu testen, wie die Reaktion der wartenden Verehrer ausfiele. Natürlich waren es laute Rufe und begeisterte Schreie, aber das hatte er ohnehin gewußt. Beim direkten Kontakt waren wir dann alle etwas schüchterner. Ein Mädchen lief davon, als er ihr die Hand bot. Einen polynesischen Jungen, der den Arm ausgestreckt hatte, fasste er rasch und zog ihn mit einer kräftigen Bewegung in das hüfttiefe Wasser. Speziell Elvis fand das höchst vergnüglich.

Am späten Nachmittag verließ er mit seinen Begleitern das Center. Es waren zwar noch einige Szenen zu drehen, aber Elvis selbst wurde nur noch für das große Finale, das im Amphitheater in der nächsten Woche stattfinden sollte, benötigt. In der Zwischenzeit war Elvis Gast eines Dinners im Kulturzentrum, bei dem die Studenten des Polynesian Cultur Center in einem eigenen Showteil auftraten. Er meinte später, es sei eine der bedeutungsvollsten Erfahrungen seines Lebens gewesen.

Eines Nachts gab es auch einen 'Tag der offenen Tür' in seinem Hotelzimmer: Von 18:00 bis 23:00 Uhr schrieb er Autogramme, posierte für Erinnerungsfotos und betrieb Smalltalk. Die Fans waren durch das ganze Hotel bis zur Tür seines Zimmers Nr. 2225 angestellt und wurden in kleinen Gruppen eingelassen. Es gelang mir, ein paar der Blue Hawaiians (Mitglieder des Blue Hawaii-Fan Clubs) mitzunehmen, obwohl die anderen in der Lobby saßen und schließlich nachkamen. Wir waren etwa acht Fans mit ein paar Müttern, unter denen sich auch meine befand. Auf unserem Weg machten wir einen kurzen Abstecher zu Vernon Presley und schenkten ihm einen Blumenkranz. Es war wirklich nicht schwierig zu erkennen, wo Elvis' angenehmes, freundliches Auftreten herrührte - ganz zu Schweigen von seinem guten Aussehen! Wir plapperten ein paar Minuten mit Vernon und wanderten dann weiter. Nachdem wir an den Sicherheitsbeamten vorbei waren, standen da immer noch Colonel Parker, die Memphis-Mafia und der immer präsente, persönliche Sicherheitsschutz, der darüber wachte, daß Elvis nichts angetan wurde. Später in seiner Karriere wäre eine solch beinahe gemütliche Zusammenkunft mit seinen Fans wohl vollkommen unmöglich gewesen, aber damals im Jahr 1965 gab es nur sehr wenige Morddrohungen und terroristische Umtriebe. Wir waren bloß Fans, die eine Minute oder zwei mit dem Star verbringen wollten, dem wir so treu waren.

Elvis trug ein blaues Hemd im Tom-Jones-Stil: Es war über mindestens die Hälfte seiner Brust offen. Sein Haar war mit Spray und anderen Hilfsmitteln zurechtgemacht. Als eines unserer Clubmitglieder sich für ein Foto zurechtstellte und dabei mit ihrem Arm sein Haar berührte, flüsterte sie etwas zu laut: "Sein Haar ist steif wie ein Brett!" Wenn er es gehört hatte, so ließ er sich nichts anmerken, denn er sagte kein Wort. Als er zu mir kam, lächelte er und meinte: "Ah've seen you before - wir haben uns schon mal gesehen!". Ich war ein wenig überrascht, daß er sich an mich erinnern konnte - ich war ja sicherlich kein Einzelfall gewesen. Ich bat ihn um ein paar Autogramme auf von mir mitgebrachten Fotos. Eines davon war für meine Kusine Patti. Ich hatte strikte Anweisungen, den Namen zu buchstabieren, vergaß sie aber im entscheidenen Moment. So kam es also, wie es kommen mußte: Elvis buchstabierte P-a-t und fragte dann, wie es weiterginge. Die Burschen lachten und spotteten über seine Unwissenheit, aber ich war sehr dankbar, daß er darauf Rücksicht genommen hatte, in wievielen Variationen wir Mädchen unsere Namen schreiben. Ich hatte zwei Leis für ihn - einen von mir und einen vom Club. Ich gab sie ihm und einer blieb für ein paar Augenblicke an seiner Nase hängen, als er sie sich um den Hals legte. Er lehnte sich nach vor, schloß die Augen und machte Kußlippen - Elvis Presley schürzte seine Lippen für mich! -, weil er erwartete, daß ich ihn, wie es die Tradition bei der Überreichung eines Blumenkranzes verlangte, küssen würde, aber ich traute mich nicht vor so vielen Leuten. Er öffnete die Augen nach einem Moment wieder und begann mit mir zu reden. Die Leis waren sehr heiß, weshalb Elvis sie nur einige Minuten trug. Während er meinen abnahm, fragte er, aus welchen Blumen sie wären. Ich sagte, daß der erste aus Nelken (carnation) sei. Elvis kicherte und meinte: "Und der nächste ist Pet Milk!" (Anm.: Die Pointe ist leicht erklärt, wenn man weiß, daß Carnation und Pet Milk Firmennamen von amerikanischen Molkereien waren. Carnation existiert nicht mehr, aber Pet Milk beliefert als eine von wenigen Molkereien nach wie vor Privathaushalte mit täglich frischer Milch und -produkten). Er hatte einen ausgesprochenen Sinn für Humor und schien die Nähe der wirklichen Fans zu genießen. Von Zeit zu Zeit wurde jemand eingelassen, der offensichtlich nur gekommen war, um ihn anzustarren und allen nachher zu erzählen, einen Star gesehen zu haben, aber die meisten waren doch ehrliche Bewunderer und Elvis beschäftigte sich auch vorwiegend mit ihnen. Elvis und ich stellten uns für ein Foto, das meine Mutter machen wollte, zurecht. Er legte seinen Arm um mich und seine Finger klopften nervös an meiner Hüfte. Es kitzelte beinahe. Meine Mutter hatte Probleme mit dem Apparat, weil das Blitzlicht nicht funktionierte. "Ich bleibe die ganze Nacht hier so stehen!" versicherte Elvis mit beruhigendem Lächeln. Schließlich borgten wir uns eine andere Kamera aus. Ich bemerkte dann, daß er eines der Bilder nicht unterschrieben hatte und bat ihn darum - "that one, too". Er mißverstand mich und fragte: "To? To who? To you?" Ich sagte "Ja!" und er schrieb quer über das Foto: "Für Sue, Vielen Dank, Elvis Presley". Ich hatte auch eine kleine Würdigung seiner Person geschrieben, in der ein paar der Gedanken und Gefühle, die sowohl er als auch seine Fans während seiner Karriere erfahren haben mochten, aufgezählt waren, und er dankte mir dafür, während er sie auf seinen Schreibtisch legte. Ein Klubmitglied hatte alle Fotoalben, die sie besaß, mitgeschleppt; sie ersuchte Elvis, jede einzelne Seite davon zu signieren! Elvis' Augen wurden riesengroß, als er all die Mappen erblickte und rief aus: "Du möchtest, daß ich all das unterschreibe?" Er schlug schließlich vor, daß er die erste Seite in jedem Album signiere. Als er eines der Fotos umdrehte, fand er auf der Rückseite eine Werbung für Make-Up und er scherzte: "Das bin ich vor Drehbeginn!" Er unterschrieb eines der Bilder ohne einen Beistrich zu setzen, sodaß es "Für den lieblichen Elvis Presley (To Lovely Elvis Presley)" aussagte. Die Jungs hänselten ihn deswegen und fragten: "Welcher liebliche Elvis?" Wann immer er nervös zu werden schien, wenn so viele Leute rund um ihn waren, liessen die Jungs ein paar Scherze vom Stapel und er entspannte sich wieder. Eines unserer jüngsten Mitglieder, das zehn oder 11 Jahre alt war, war total hin- und hergerissen von Elvis' Anblick, traute sich aber nicht zu ihm. Ihre Mutter bemühte sich, sie zu überreden, doch ein wenig näherzutreten, um ein Bild von den beiden machen zu können und sagte: "Geh' doch zu ihm hin, Pam!" Da zog Elvis sie einfach zu sich, schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und meinte: "Hi, Pam!", und damit war sie wirklich vollkommen überwältigt!

Tags darauf hatte Elvis seine letzte Szene im Polynesian Cultural Center zu drehen und ich startete mit ein paar Freunden dorthin, in der Hoffnung, ihn zu sehen. Wir standen auf einer Seite des großen Theaters und konnten ihn zuerst nirgendwo entdecken. Erst als er aufstand, bemerkten wir, daß er in der ersten Reihe gesessen war. Er trug hellblaue Hosen, eine ebensolche Jacke und dunkle Stiefel. Als die polynesischen Tänzer ihren Auftritt hatten, begann Elvis im Rhythmus der Musik mitzuswingen. Dann nahm er seine Sonnenbrillen ab und spazierte zur Bühne hinüber. Er überquerte eine kleine Brücke und gestikulierte wild, als würde er in das Wasser fallen. Als er dann bei den Tänzern war, probte er seine Szene sieben oder acht Mal. Er sollte schlicht und einfach im Rhythmus des Liedes mitklatschen, aber er riß die Hände hoch. Wenn die Musik plötzlich stoppte und er weitermachte, sah es aus, als würde er Schattenboxen. Ein anderes Mal, als das Lied zu Ende war, breitete er die Arme aus und tat so, als würde er wie ein flügellahmer Vogel von der Bühne herunterflattern. Immer, wenn ihn die Musik gefangennahm, schrie er "Hut! Hut! Hut!" im Takt. Es schien, als wüßte er, daß wir ihn genau beobachteten und darauf warteten, daß er irgendetwas tun würde. Während einer Drehpause saß er am Boden und plauderte mit einer Tänzerin. Als er sich erhob, wischte er sich den Staub von der Rückseite seiner Hosen, was hörbare Seufzer der Fans verursachte. Dann wieder nestelte er an seiner Jacke herum und noch mehr Seufzer erklangen. Es war gar nichts Besonderes, das er tat - wichtig war nur die Tatsache, daß er überhaupt irgendetwas tat. Elvis schien das genau zu wissen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt war es während der Dreharbeiten sehr ruhig und langweilig geworden. Elvis blickte herüber zu den jungen Fans und sang ganz plötzlich "La tra la la!", was die Verehrer unverzüglich in hysterische Verzückung versetzte. Dann wieder brachten ihm eine Gruppe Maori-Mädchen bei, wie mit den Poi-Bällen zu spielen sei. Elvis sah jeder einzelnen konzentriert zu, und als er an der Reihe war, verblüffte er alle, indem er die Bälle perfekt herumwirbelte. Bei jeder kleinen Unterbrechung sprangen die Tänzer auf und ließen sich mit Elvis fotografieren. Als Mittagspause war und er seinen Teil erledigt hatte, sprach er gerade mit jemandem und schrieb ein Autogramm. Plötzlich kam ein kleines, einheimisches Mädchen von nicht mehr als fünf Jahren von hinten gerannt und stürzte sich mit so viel Vehemenz auf eines von Elvis' Beinen, daß er beinahe umgefallen wäre. Sie klammerte sich mit aller Kraft an ihn und er vollführte einen kleinen Hulatanz, um sie abzuschütteln. Diese Minuten gingen schnell vorbei und während die anderen beim Lunch saßen, fuhr Elvis in seinem blauen Cadillac zum Highway zurück und brauste in Richtung Waikiki davon.

Obwohl die Zeitungen behaupteten, daß er noch eine Woche bleiben würde, wußten wir bereits Bescheid: Aus der Hemdtasche eines Leibwächters hatte ein Flugticket herausgeschaut, welches schon für Donnerstag ausgestellt war. Ich rief Vernon Presley an und erkundigte mich, ob wir Elvis bei seiner Abreise einen Maile-Lei überreichen dürften. Die Maile-Blumenkränze sind ausschließlich für Könige bestimmt und Elvis wäre unser King, erklärte ich mit zwingender Logik. Mr. Presley versprach mir, mit Elvis darüber zu reden. Er sicherte mir aber zu, daß er den Blumenkranz für Elvis übernehmen und ihn ihm geben würde, sollte es dem King selbst nicht möglich sein. Donnerstag Abend marschierte ich mit meinem Maile-Lei zum Ilikai Hotel. Obwohl nicht das Geringste über seine Abreise publik geworden war, füllte sich die Lobby sehr bald bis zum Bersten mit Fans und Schaulustigen. Mr. Presley bat mich, bei seiner Türe zu warten und ging hinein, um mit seinem Sohn zu reden. Ständig wurden Koffer und Kisten aus Elvis' Zimmer getragen, in denen seine Keidung und andere Habseligkeiten waren. Einmal, als ein Gepäckträger eine besonders große Truhe herausschleppte, sagte er zu mir: "Er ist da drinnen - das ist der einzige Weg, in einem Stück aus diesem Haus zu kommen!" Auf einmal hörte ich Elvis' Stimme - er sang! Aber ehe ich in Ohnmacht fallen konnte, erklärte mir Vernon Presley, daß das Klavier aus Elvis' Zimmer bereits abtransportiert und die Musik lediglich eine Schallplatte sei. Nach und nach kamen all seine Freunde mit ihrem Gepäck. Die Polizisten begannen bereits, sich darüber zu unterhalten, wie man Elvis am sichersten aus dem Hotel bringen könnte und welche Route zum Flughafen die schnellste sei. In diesem Moment kam Elvis aus seinem Zimmer; er trug braune Hosen und eine braun-weiße Jacke ohne Kragen im Stil der Jacken, die er in Viva Las Vegas getragen hatte. Er begrüßte die Polizeieskorte mit Handschlag und ging durch die Halle, wobei ihm immer wieder Mädchen um den Hals fielen und ihn küßten, ganz gleich, ob sie ihm einen Lei überreichten oder nicht. Elvis sah immer ein wenig überrumpelt aus, wenn er auf diese Weise überfallen wurde, aber er er küßte jedes der Mädchen und lächelte ihnen zu. Wie üblich hatte ich natürlich nicht den Mut, ihm so aufzulauern. Ich stand mit meinem Maile-Lei da und starrte ihm nach. Sein Vater blickte für einen Moment zu mir herüber und winkte: "Komm her!" Zu zweit liefen wir hinter Elvis nach, der immer noch von zahlreichen Mädchen umschwärmt und eingekreist war. Mr. Presley rief "Elvis!", und obwohl der keine Ahnung hatte, worum es ging, blieb er sofort stehen, drehte sich um und kam uns entgegen, anstatt zu warten, bis sein Vater ihn erreicht hatte. Es war nur eine winzig kleine Sache, aber für mich sagte es viel über Elvis' Erziehung und den Respekt gegenüber seinem Vater aus.

Mr. Presley sagte: "Sue möchte Dir diesen Lei überreichen!" und Elvis lächelte mich an und meinte im Tonfall des Erkennens: "Oh yeah, hi!" Ich streckte mich und legte den Blumenkranz um seinen Hals. Er rückte ihn zurecht, zog das Kinn zurück und studierte ihn eingehend. Ich war mir sicher, daß er solch einen `königlichen' Lei zum ersten Mal gesehen hatte. Ich rang mich zu der Erkenntnis durch, daß dies wohl die letzte Gelegenheit für einen Kuß sei, also fragte ich ihn: "Kann ich Dir den Kuß geben, der zu diesem Lei gehört?" Nachdem er den ganzen Weg durch die Empfangshalle über von wildentschlossenen Frauen einfach temperamentvoll geküßt worden war, mußte es ihm komisch erschienen sein, um Erlaubnis gefragt zu werden, aber er sagte "Sicher!" und beugte sich zu mir herunter. Ich wollte seine linke Wange küssen, aber er drehte seinen Kopf und so landete ich auf seinen Lippen. Er sah mir in die Augen und sagte "Danke!". Mir war es nicht aufgefallen, dafür aber sicherlich Elvis: Kaum war er bei mir stehen geblieben, war er umringt von Autogrammjägern. Schon hatte er wieder einen Kugelschreiber in der Hand und signierte Bilder. Zwischendurch befragte er mich über den Maile-Lei; ich murmelte eine Antwort. Dann überraschte er mich vollkommen, indem er sagte: "Danke für das, was Du geschrieben hast. Du weißt schon, diese, diese Würdigung, die Du geschrieben hast. Ich schätze es sehr - wirklich!" Er bemühte sich wirklich, mich von der Ehrlichkeit seiner Worte zu überzeugen.

Ich war sprachlos, daß er sich daran erinnern konnte - und noch viel mehr, daß er sogar wußte, welcher seiner zahllosen Bewunderer es geschrieben hatte! In späteren Jahren habe ich begriffen, daß Elvis offensichtlich auf zwischenmenschlicher Ebene von anderem tief verletzt worden war und daß er alles nur mögliche unternahm, um seinerseits nie jemand anderen zu verletzen. Es war keine Sache der Public Relations, sondern nur seine ureigenste Art, Menschen zu behandeln.

Dann ging alles blitzschnell. Die Sicherheitsleute schleusten Elvis aus dem Hotel, die Masse strömte - genau wie ich - wegen eines letzten Blickes hinterher, und schon kam sein blauer Cadillac aus der Garagenausfahrt. "Elvis, schau, stop!" kreischte ein Mädchen mit Kamera, der Wagen hielt kurz, sie schoß ihr Foto und er glitt in Richtung Flughafen davon. Wir standen alle da, irgendwie verloren, als wäre etwas ganz Wundervolles von uns genommen worden. Wenn ich zuvor nur ein Fan des Stars Elvis gewesen war, so war ich nun zum lebenslangen Verehrer des Menschen Elvis geworden.
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__Elvis - Artist Of The Century__