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Alt 30.11.2018, 10:34
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Die Faszination der Elvis-Filmsongs, Stefanie Tauber

Die Faszination der Elvis-Filmsongs: Stefanie Tauber im Interview

Sehr klar und puristisch, begleitet allein vom Klang der Ukulele, scheint Stefanie Taubers Stimme durch den spärlich beleuchteten Saal des Programmkinos Harmonie geradezu zu schweben. Es ist der 16. August 2018, Elvis Presleys 41. Todestag. In der Harmonie in Frankfurt-Sachsenhausen steht an diesem Abend – wie in vielen Kinos deutschlandweit – Elvis auf dem Programm.


Das ’68 Comeback Special feiert in diesem Jahr 50. Geburtstag mit einer Special-Edition der legendären TV-Show, die nun auch auf der großen Kinoleinwand zu sehen ist. Doch bevor der King in der Harmonie seine überlebensgroße Magie entfaltet, kommt erst einmal Stefanie Tauber alias Preslisa im Vorprogramm des Kinoabends zum Zuge, und zwar mit ihrer ganz individuellen Interpretation von Songs aus Elvis’ umfangreichen Filmrepertoire.

Wie? Elvis’ Filmssongs ausgerechnet im Vorprogramm des legendären ’68 Comeback Specials? Was wie ein Widerspruch erscheint – schließlich läutete das ’68 Comeback Special das wohltuende Ende von Elvis’ Hollywoodkarriere mit Soundtrackalben in Endlosschleife ein -, ist ein gelungener Kunstgriff.

Denn Taubers Interpretation von Liedern wie I Want To Be Free aus dem Film Jailhouse Rock (1957), Wooden Heart aus G.I. Blues (1960), Forget Me Never (aufgenommen für Wild In The Country, 1961) sowie Song Of A Shrimp (Girls, Girls, Girls, 1962), die es an diesem Abend zu hören gibt, werfen ein ganz eigenes Licht darauf, worin bei aller Skurrilität die Faszination der vielfach belächelten und dennoch beliebten Filmsongs liegt.


Interview

The Memphis Flash: Stefanie, warum ausgerechnet Elvis? Wie kam es zu Deiner Faszination für den King, die dazu geführt hat, dass Du ihm als Preslisa ein musikalisches Soloprogramm widmest und mit Back in Bornheim, Aloha From Neukölln, Preslisa Live gleich mehrere Alben mit seinen Songs veröffentlicht hast?

Stefanie Tauber: Das ist erst einmal so eine einfache Frage, wie es scheint, aber ich könnte Dir da stundenlang drauf antworten. Vielleicht fang’ ich am besten bei meinem Schlüsselerlebnis an. Ich hab’ Elvis beim Durchwühlen der Plattensammlung meiner Eltern entdeckt.

The Memphis Flash: Das war 1984?

Stefanie Tauber: Ja, ich war damals acht. Besonders hatten es mir die “kleinen Schallplatten” angetan, von denen ich noch nicht wusste, dass sie Singles heißen. Von denen gab es einen kleinen Stapel, teilweise mit Hülle, teilweise ohne. Und ich bin an diesem einen Gesicht hängengeblieben. Da stand überall Elvis drauf. Und es klingt vielleicht komisch, aber ich weiß noch genau, was ich damals gedacht habe: Wie kann ein Mann nur so schön sein!

The Memphis Flash: Die Optik hat Dein Interesse also sozusagen getriggert?

Stefanie Tauber: Genau. Dann wollte ich natürlich auch wissen, wer das ist. Mein Vater hat gleich abgewinkt, aber meine Mutter hat es mir bereitwillig erklärt. Zuerst war ich traurig, weil sie mir erzählte, dass Elvis schon gestorben war. Aber ich habe die “kleinen Schallplatten” trotzdem aufgelegt und damit begann meine eigentliche Faszination, die bis heute anhält: die Begeisterung für diese Stimme. Die Stimme ist das, was das Phänomen Elvis für mich heute in erster Linie ausmacht.

The Memphis Flash: Weißt Du noch, welche Songs Du als erstes gehört hast?


Stefanie Tauber: I Was The One war dabei. Ein Song, den ich als Achtjährige noch gar nicht richtig verstanden habe. Aber er hat mir gleich so ein Gefühl gegeben…


I Gotta Know, den hab’ ich geliiieeebt! Ja, und dann natürlich Treat Me Nice. Der wurde von mir gleich umgedichtet in “Gib’ mir ein Eis” .


The Memphis Flash: Treat me nice – gib’ mir ein Eis, clever umgetextet. Ein Filmsong aus Jailhouse Rock (1957). Jetzt bist Du ja nicht nur mit Deinem musikalischen Soloprogramm Prelisa unterwegs durch die Republik, sondern schreibst, produzierst und singst auch eigene Songs unter dem Namen Taika, in denen Du sehr persönliche Erfahrungen, wie Deine Erkrankung an Multiple Sklerose (Album Survival Songs), verarbeitest. Was genau begeistert Taika an dem Sänger und Songinterpreten Elvis?

Stefanie Tauber: Als Sängerin finde ich ganz toll an Elvis, dass er nie mehr aus einem Song zu machen versucht als der Song hergibt. Er singt songdienlich. Wenn das eine ganz geradlinige, simple Ballade ist, dann singt er sie genau so – und es ist wunderschön. Ich höre wirklich bei jedem Ton gerne zu. Wahnsinn. Wenn er (fast) die gesamte Bandbreite seines Könnens bedient, dann passt es auch zum Song. Ein gutes Beispiel dafür ist für mich It Hurts Me (1964).


Stefanie Tauber: Hier nimmt er einen wirklich mit auf eine Reise, die bei vielen Popsängern konstruiert wirkt. Bei ihm funktioniert es. Wie man eine Ballade ordentlich rüberbringt, das hat Elvis erst so richtig vorgemacht. Deswegen finde ich es auch fragwürdig, wenn ich Aussagen höre, Produzenten wie Steve Sholes oder Felton Jarvis hätten Elvis im Studio nicht genügend gepusht, nicht ausreichend an seine Grenzen geführt. Der Mann wusste genau, was er tat.

The Memphis Flash: Inwieweit gilt das auch für die Filmsongs? It Hurts Me war ja für ein Studioalbum gedacht.

Stefanie Tauber: Ich liebe wirklich sehr viele dieser Filmsongs. Ich finde, die sind zu Unrecht unterschätzt. Da sind wunderschöne kleine Balladen dabei, etwa von Songwriter-Pärchen wie Ben Weisman und Sid Wayne. Und ich finde auch die Darbietung von Elvis sehr schön, wenn man sie nur hört. Die Szene im Film ist dann was anderes. Das ist oft ganz schön schmerzhaft anzuschauen. Aber es fasziniert mich. Der Kontrast fasziniert mich.

The Memphis Flash: Apropos Ben Weisman und Sid Wayne: Dazu fällt mir A Pocketful Of Rainbows aus dem Film G.I. Blues (Café Europa, 1960) ein.


Stefanie Tauber: Stimmt. Das songdienliche Singen, das hat Elvis aber selbst bei den übelsten Filmsongs, und dazu wird vor allem Old McDonald aus dem Film Double Trouble (Zoff für zwei, 1967) gezählt, noch gemacht. Da wird ja gerne schon mal behauptet, Elvis wäre aus Frust aus dem Studio gerannt, weil er gerade sein Gospel-Album How Great Thou Art aufgenommen hatte und das Gefälle zwischen Soundtrack und späteren Grammy-Gewinner einfach zu groß war. Aber ist das nicht vor allem Wunschdenken von Elvisfans? Denn wenn man sich selbst die pupsigsten unter den Filmsongs anhört, dann ist Elvis’ Darbietung immer noch so, dass man es besser kaum machen kann.

Gut, es gibt ein paar Songs, bei denen man den Eindruck bekommt, da hatte er wirklich keine Lust. Bei Datin’ zum Beispiel. Die Zunge ist ein bisschen schwer. Aber beim Soundtrack von Paradise Hawaiian Style (Südsee-Paradies, 1966) klingt im Grunde die ganze musikalische Produktion nicht richtig gut. Ich höre selten raus, dass Elvis lustlos ist, auch nicht bei den ganzen albernen Liedern. Schönes Beispiel: Queenie Wahines Papaya – albern, aber eine super Performance. Ich mag das sehr gerne.



The Memphis Flash: Jetzt hat Elvis sich ja in seinem Interview mit den Dokumentarfilmern Abel und Adidge (Elvis On Tour, 1972) selbst sehr kritisch über seine Hollywoodkarriere und die Filmsongs geäußert. Wenn Du die Gelegenheit hättest, dem King etwas vorzuspielen, um ihn zu einer neuen Wertschätzung seines Soundtrackrepertoires zu verhelfen, was würdest Du ihm vorspielen?

Stefanie Tauber: Ich würde ihm einfach ein kleines Set spielen. Vielleicht auch gerade solche Nummern, die ein wenig zu überproduziert waren. Denn ich nehme bei meiner Interpretation ja wirklich alles weg, spiele oft nur mit meiner Ukulele. Einfach um zu schauen, was bleibt von dem Song dann noch übrig. Ist das überhaupt ein richtiger Song? Denn es gibt ja auch solche, da geht die gesamte Melodie nur “nä, nä, nä” und auch rhythmisch sind sie nicht interessant gebaut, sie leben einzig von irgendeinem Gitarrenriff. Es ist spannend zu schauen, was bleibt, wenn man den Elvis wegnimmt und die Produktion. Und es gibt tatsächlich eine Reihe von Filmsongs, die sich mit einer rudimentären Begleitung auf der Ukulele oder auch ganz einfach a capella wunderschön entfalten.





The Memphis Flash: Jetzt hast Du ja nicht nur Amerikanistik und Soziologie studiert und 2001 Deine Magisterabeit mit dem schönen Titel “Elvis Presley 2001: Eine amerikanische Odysse” geschrieben, sondern auch Schaupiel studiert und einige Zeit am Theater gespielt. Hand aufs Herz: Gefallen Dir Elvis’ Filme wirklich?

Stefanie Tauber: Ich muss ja zugeben, ich schaffe es wahrscheinlich nicht, einen einzigen Film in einem Stück zu gucken. Es ist nicht so, dass ich davor sitze und jubele, was für tolle Filme das sind. Aber die haben so einen Unterhaltungswert für mich wie für manche Leute B-Movies. Deswegen nenne ich sie auch E-Movies. Sie sind für mich so eine bunte Schatzkiste voller Kleinigkeiten, die man entdecken kann, wenn man nur genau hinschaut. Wie verhält sich Elvis vor der Kamera. Wie geht der damit um, dass er in einer Szene eine Gitarre wie eine Wurst in die Hand gedrückt bekommt und damit jetzt über einen Spielplatz hoppeln muss.

The Memphis Flash: Und was ist mit Elvis, dem Schauspieler? Gibt es den überhaupt?

Stefanie Tauber: Meine Meinung ist, dass Elvis so telegen war, dass er im Grunde nur jemanden gebraucht hätte, der ihn ein bisschen an die Hand nimmt. Dann wäre er ein toller Darsteller gewesen. Ob nun einer, der nur sich selbst spielen, oder einer, der wie Robert de Niro in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen kann, das weiß ich nicht zu beantworten, da er die Chance dazu nie bekommen hat. Er hat aber noch nicht einmal die Chance erhalten, sich einfach mal selbst zu spielen. Er ist in einem so schlimmen Mainstream-Männer-Ideal gefangen, das in den 1960ern transportiert wurde. Da gibt es doch in den Film Spinout (1966) diese Autorin, die ein Buch über den idealen amerikanischen Durchschnittsman schreibt, und Elvis ist ihr Paradebeispiel. Das ist doch bezeichnend.


Elvis wird von Barbara McBain als ideales Durchschnittsmannsbild entdeckt im Film Spinout (1966)
Das hat Hollywood aus Elvis gemacht. Bis auf ein paar löbliche Ausnahmen, etwa Wild In The Country, und das war dann auch schon wieder zu bemüht in Richtung dramatische Rolle, hat man auch nichts ausprobiert. Da kann man schon sagen, Hollywood war nicht gerade zimperlich – die wollten vor allem die Elvis-Maschinerie ordentlich melken.

The Memphis Flash: Aber Du hast trotzdem einen Elvis-Lieblingsfilm, oder?

Stefanie Tauber: Klar. Mein absoluter Lieblingsfilm ist, ich muss es einfach zugeben, Follow That Dream (Ein Sommer in Florida, 1962), weil ich Elvis da einfach zum Knuddeln süß finde. Er spielt außerdem richtig toll, das ist eine gute Rolle für ihn.


The Memphis Flash: Und Dein liebster Filmsong?

Stefanie Tauber: Forget Me Never. Eigentlich ein verhinderter Filmsong, der für Wild In The Country (Lied des Rebellen, 1961) aufgenommen wurde, im Film aber durch In My Way ersetzt wurde. Seine Stimme trägt einfach diesen Song. Ich sitze da, höre das zum zehntausendsten Mal, gehe ganz nah an den Lautsprecher ran, weil ich einfach jedes Mal in irgendeinem Vokal noch was Neues höre. Das fasziniert mich, ich bekomme jedes Mal Gänsehaut und denke mir: So muss man singen.


The Memphis Flash: Stefanie, ich danke Dir für das sehr interessante Gespräch.
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