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Alt 03.05.2010, 15:52
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Christmas Today - (Pre-) Review CD 1

Review "Christmas Sessions" - CD 1


Die Bootleg Szenerie wird heutzutage von Re-Releases alter Bootleg CDs bestimmt, die in den frühen 90er Jahren veröffentlicht wurden. Gerechterweise darf man sagen, dass etliche dieser Wiederveröffentlichungen ihre Berechtigung haben, weil sie in puncto Soundqualität und Verpackung eine deutliche Aufwertung des ursprünglichen Releases darstellen. Auch die Venus Veröffentlichungen bildeten da keine Ausnahme, wenn es auch von mancher Seite Kritik an der Aufmachung – Buch & CDs zu kombinieren – gab. Die Soundqualität war sehr gut und die Verpackung nahezu unglaublich aufwendig. Wenn es etwas zu kritisieren gab, dann war es vielleicht die Tatsache, dass bereits sehr gut klingende Bootlegs wieder aufgelegt wurden.

Jetzt veröffentlicht das Venus Label alternative Takes der Weihnachtssessions vom 15. und 16. Mai 1971. Wie der Ankündiung zu entnehmen ist, wird es dieses Mal keine Buch/CD-Kombi geben. Die CDs werden in herkömmlichen Jewel-Cases veröffentlicht. Da ich nur CDRs bekommen habe, kann ich zum finalen Artwork nichts sagen. Die Front-Cover, die überall zu sehen sind, sehen prima aus und machen Lust auf das Endprodukt. Die hauptsächliche Frage, die es zu beantworten gilt ist die, ob die vollmundigen Ankündigungen eingehalten werden können.

Die Antwort ist einfach, nachdem man die erste CD gehört hat. Die CD ist eine der größten Überraschungen der letzten Jahre und kommt – auch angesichts der Jahreszeit – völlig unerwartet. Der Fokus gilt Outtakes und undubbed Mastertakes. Alternative Studioaufnahmen sind heuer sowieso ungewöhnlich, aber vom Mai 1971 schon etwas ganz Besonderes, gibt es doch nicht allzu viele Takes aus dieser Session.

Die CD beginnt mit dem unveröffentlichten Take 6 von „I’ll Be Home On Christmas Day“. Der Take ist komplett und dauert etwas länger als vier Minuten. Der Sound ist exzellent.

Als nächstes folgt der vollständige und ebenfalls unveröffentlichte dritte Take von “Holly Leaves And Christmas Trees”. Es ist eine wahre Wonne
diesen Song ohne die maßlos verkitschten Overdubs - die Jarvis diesem Song angetan hat - zu hören. Die undubbed Version klingt einfach nur schön und lässt die overdubbed Version um Meilen hinter sich. Vielleicht ist es aber auch nur eine Frage des aktuellen Zeitgeists, dass viele heutzutage eine sparsamere Instrumentierung den zugekleisterten Overdubs von Jarvis vorziehen. Für mich kann ich sagen, dass mir die Overdubs auf Elvis Aufnahmen in vielen Fällen nicht sonderlich zusagen.

Der ebenfalls unveröffentlichte undubbed Master von “On A Snowy Christmas Night” ist der nächste Track. Source war ein sehr gut klingendes Azetat.

Der undubbed Mastertake von “The Wonderful World Of Christmas” folgt als nächstes. Quelle war ebenfalls ein Azetat. Wiederum ist die Soundqualität sehr gut!

Der erste Take von “Silver Bells” folgt – vormals veröffentlicht auf der CD „If Every Day Was Like Christmas“. Als kleinen Bonus bekommt man hier ein wenig von Studiogesprächen und dem Count-In mit.

Der sechste Track bietet die unveröffentlichten ersten beiden Takes von “I’ll Be Home on Christmas Day” inklusive kurzer Gespräche. Allerdings ist der erste Take lediglich ein sogenannter ‚false start‘, während der zweite Take zumindest 1 ½ Minuten läuft.

Der Song (wenn man es den so nennen möchte) “The Lord’s Prayer” folgt. Der Track wurde bekanntermaßen auf „Essential Elvis Volume 4“ veröffentlicht. Unabhängig davon gibt mir die Aufnahme nichts und ich
skippe eigentlich jedes Mal einfach weiter. Wie ich bereits gesagt habe: ohne die wirklich zuckrigen Overdubs klingt „Holly Leaves And Christmas Trees“ wirklich toll und entwickelt sich in dieser Version zu einem Song, den ich mehr und mehr zu schätzen weiß. Der unveröffentlichte undubbed Master von „The First Noel“ stammt offensichtlich von einem Azetat. Das Soundbild ist sehr gut, sieht man von einem Knistern zu Beginn des Songs ab, der einen glaubt lässt, man hätte eine oft gespielte Schallplatte aufgelegt.

Der zehnte Track gibt einen Einblick in Elvis Gemütslage, die bei weitem nicht so schlecht gewesen zu sein scheint, wie Jorgensen es uns in seinem Buch „A Life In Music“ glauben lassen möchte. Elvis macht vor dem siebten Take von „Winter Wonderland“ einen Witz auf Kosten von Esposito: „Reverend Joe Esposito will now speak a few words of inspiration [..pause..] What the fuck do you want!!” Im Studio wird laut gelacht. Am Ende des Takes den Presley vermasselt, bricht Elvis in lautes Lachen aus. Es ist offensichtlich, dass Elvis eher gut als schlecht gelaunt war.

Der nächste Track bietet die beiden neue Takes 5 und 7 von “I’ll Be Home On Christmas Day”. Der angehängte Track 3 ist vorher schon auf der FTD „I Sing All Kinds“ veröffentlicht worden.

Die Jam Session von “Merry Christmas” ist zwar schon mehrfach und in verschiedener Länge veröffentlicht worden, aber bisher unveröffentlicht waren die Instruktionen, die Elvis den Musikern gegeben hat bevor der Aufnahme startet: „Just run it a couple down and I’ll come in there, you know, somewhere … let’s set the rhythm first, you know” – das klingt in meinen Ohren sehr lässig und komplettiert die ohnehin schon relaxte Stimmung dieses um 4 Uhr morgens perfekt eingespielten Blues!

Es folgt der unveröffentlichte undubbed Master von “If I Get Home On Christmas Day”. Die Soundqualität ist derart gut, dass es schwer ist zu glauben, dass die Source wieder mal ein Azetat gewesen ist.

Track 14 ist der unveröffentlichte undubbed Master von “Silver Bells”, der vormals auf der CD “O Come, All Ye Faithful” veröffentlicht worden ist. Die Soundqualität ist abermals sehr gut, obwohl auch hier eine Source die Quelle gewesen ist. Aber ehrlich gesagt, rettet das den Song für mich nicht – denn ungeachtet ob veröffentlicht oder nicht – gebe ich nicht viel auf den Song.

Der darauffolgende Track beinhaltet die Takes 5,6,7, und 4 von “Holly Leaves And Christmas Trees”. Die ersten drei Takes sind allesamt ‚false starts‘. Take 4 wurde auf der FTD „I Sing All Kinds“.

Track 16 ist der undubbed Master von “Winter Wonderland” beinhaltet den Count-In. Die Source ist wiederum ein gutklingendes Azetat. Die Aufnahme selbst wurde bereits wiederholte Male veröffentlicht, zum Beispiel auf den CDs „Christmas Peace“ und auch „If Every Day Was Like Christmas“.

Die letzten sieben Tracks sind nahezu vollständig unveröffentlicht – mit Ausnahme der Hälfte von Track 22 und Track 21, der den Take 4 von „I’ll Be Home On Christmas Day“ beinhaltet. Letztgenannten konnte man schon auf der 4ten CD des brillanten Platinum Box-Sets hören. Alle Tracks stammen ursprünglich von Azetaten.

Track 17 ist der undubbed Master von “It Won’t Seem Like Christmas Without You”, gefolgt vom wunderschönen undubbed Master von “I’ll Be Home On Christmas Day”.

Der fantastisch gesungene undubbed Master von “Holly Leaves And Christmas Trees” ist mittlerweile zu einem meiner Favoriten geworden. Auch der undubbed Master vom Weihnachtstraditional „O Come, All Ye Faithful“ klingt so erheblich besser in meinen Ohren, als die zugeklebte Overdub-Variante von Jarvis.

Den Abschluss bilden die drei Takes von “Silver Bells”. Es ist wirklich interessant zu hören wie Elvis reagiert, als Jarvis einen dritten Take ausruft. Der Take beginnt und nach nur ein paar Sekunden unterbricht Elvis die Musiker höflich und entschuldigt sich mit den Worten „I can’t get into it. I’m sorry. Let’s get back to what we’ve had before.”

Die CD spielt 76 Minuten und ich habe nicht an einer Stelle irgendwas gehört, dass vermuten ließe, dass Elvis während der Session schlechtgelaunt wäre. Ich kann natürlich nicht wissen, was Jorgensen möglicherweise mehr gehört hat das ihn veranlasst hat etwas Gegenteiliges über Presleys Stimmung in seinem Buch zu schreiben.

Um zum Schluss zu kommen: die erste CD ist essentiell für Sammler und nicht weniger als das! Selbst wenn FTD das Material veröffentlicht – und ich denke daran gibt es keinen Zweifel – bezweifle ich doch stark, dass man alles hören wird, was man auf dieser CD hört. Die Soundqualität ist außergewöhnlich gut und bei manchen Tracks nahezu perfekt. Das gilt großteils auch für die Qualität der Azetate. Außerdem sind alle Tracks in Stereo – wer könnte noch mehr verlangen?

Jörn
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