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Alt 16.04.2006, 14:27
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michael grasberger michael grasberger ist offline
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wir verließen den laden mit zueinanderpassenden motorradhauben, auch meine leicht schräg sitzend. als wir zum motorrad kamen, befühlte elvis erstmal die kante des nummernschildes; sie war rasiermesserscharf. er deckte das schild mit der hand ab und riet mir, das bein beim aufsitzen möglichst hoch zu heben.
unser nächster halt war ein geschäft für herrenbekleidung auf der beale street. der laden zielte hauptsächlich auf schwarze käufer ab, und eine handvoll besucher stöberte drinnen herum. der ladeninhaber war ebenfalls ein freund von elvis.
"hier kaufe ich fast alle meine klamotten", erzählte er stolz.
der besitzer und die kunden begrüßten elvis.
"wo treibst du dich herum? was geht ab, mann?"
"ich mach mein ding, mann, versuch ein paar dollar zu verdienen."
man merkte, daß sie alle elvis mochten. er war "cool", und er sang ihre musik. nach dem allgemeinen händeschütteln stellte er mich wieder als seinen schatz aus biloxi, mississipi vor.
"sogar ihre füße sind schön!", rief er. wir suchten ein paar hemden aus, die elvis dem ladenbesitzer übergab. er wollte sie am rückweg abholen.
mudd island stand als nächstes am plan. als ich das wort "insel" hörte, stellte ich mir weißen sand und palmen vor, so wie auf den inseln entlang der küste von mississippi, aber hier war alles mit schwarzdecke überzogen.
"wie schnell willst du fahren, baby?"
"so schnell wie du kannst", antwortete ich.
"okay, zieh dir die mütze ins gesicht und halt dich gut fest." mein herz klopfte und ich hing wie ein klammeraffe an ihm. nachdem wir etwa fünf minuten dahingejagt waren, verlangsamte er das tempo und wir hielten an.
"wie schnell sind wir gefahren?" ich hatte es nicht gewagt, über seine schulter auf den tachometer zu lugen.
"och, so 190. wieso? hattest du etwa angst?"
"wer, ich? nein! ich wußte ja, daß du aufpassen würdest." hätte er vorgeschlagen, daß wir's nochmal versuchen, ich hätte mir in die hosen gemacht.

"ich aber schon! fühl meinen herzschlag!" ich legte die hand auf seine brust – sein herz hämmerte noch schneller als meines, das schon fast herausspringen wollte! ich wußte nicht, ob aus angst oder aus purer aufgeregtheit. wir lachten und fielen uns in die arme, beide völlig außer atem.
dann saßen wir am ufer und sahen auf die aufgewühlten schlammigen wasser des mississippi. elvis fing zu singen an.
"ole man river, that ole man river, he don't say nothin', he must know somethin', he just keeps rollin', he keeps on rollin' along." seine stimme war so unglaublich weich und tief, daß ich eine gänsehaut bekam. ich erschauerte. er legte seinen arm um mich im glauben, mir sei kalt.
"ich hatte keine vorstellung, wie kraftvoll deine stimme ist. warum nutzt du sie nicht voll? jeder sollte dich hören, wenn du auf diese art singst." ich wollte ihm ein kompliment machen, aber er faßte es als kritik auf.
"du kannst ja wirklich singen, elvis presley. ich bin beeindruckt."
"was heißt hier wirklich? ich hab auch vorher wirklich gesungen. du magst wohl meine art zu singen nicht?" er klang ein wenig verstimmt.
"ich liebe, wie du singst! es ist nur, daß niemand deine volle, kräftige stimme kennt. hast du schon mal von mario lanza gehört?"
"ja, aber der ist ein opernsänger, june. ich singe rock'n'roll und balladen."
"ich rede ja nicht von musikschubladen. mir geht es um die art, wie er singt. ihr habt da etwas gemeinsam – die kraft, die stimmgewalt. das ist musik, die du spüren kannst. du hast genau diese stimme, die die zuhörer die musik nicht nur hören, sondern spüren läßt. das ist ein großes geschenk, und du solltest es mit allen teilen. hat dich denn schon mal jemand so singen gehört?"
"nur meine mama", sagte er zärtlich.
offensichtlich hatte ich den richtigen nerv getroffen. er war jetzt nicht mehr verstimmt.
"warum nur deine mama?", fragte ich ihn.
"sie liebt es einfach, mich singen zu hören und kritisiert mich nie. wegen ihr habe ich überhaupt mit dem singen angefangen. sie hat mich von meinen stimmlichen qualitäten überzeugt und mir das nötige selbstvertrauen eingepflanzt, um in der öffentlichkeit zu singen."
"na dann, dem himmel sei gedankt für deine mutter. sie hat nämlich recht. gerade eben habe ich eine gänsehaut bekomen, als ich dir zuhörte. das hat vorher nur mario lanza geschafft. hat du schon mal das lied o sole mio gehört?"
"kenn ich nicht, wie geht das?"
ich sang den text, an den ich mich erinnerte und la-la-la-te den rest. er mochte es und lächelte.
vier jahre später, 1960, nahm elvis it's now or never auf, die englische version von o sole mio. ich stelle mir gern vor, wie er im studio an mudd island gedacht haben mag. ich jedenfalls denke immer daran zurück, wenn ich das lied irgendwo höre.

[fortsetzung folgt]