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Alt 11.04.2006, 23:40
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michael grasberger michael grasberger ist offline
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[...]
wir parkten direkt vor dem white house hotel mit seinem stadtbekannten pier, der weit hinaus über das wasser ragte. wir redeten eine weile und beschlossen dann, auf den pier hinauszuspazieren. der vollmond leuchtete uns den weg, der in hochhackigen schuhen besonders lang war. er hielt meine hand, bis wir am ende angelangt waren, dann trat er hinter mich, die arme um meine taille geschlungen, und wir betrachteten den aufgehenden mond.
"hast du schon mal den mond über dem wasser gesehen?", fragte ich.
"nicht über so viel wasser! wenn dir das hier gefällt, dann solltest du mal den mond über dem schnee leuchten sehen. das ist der schönste anblick, den du dir vorstellen kannst. alles funkelt, und man kann meilenweit sehen." ich lehnte meinen kopf zurück an seine schulter und er küßte meinen nacken. ich war schon früher am nacken geküßt worden, aber nie so. mir lief ein schauer den rücken runter! er sagte meinen namen und küßte meinen nacken, wieder und wieder. ich zitterte, und es kam mir vor als würde ich gleich schmelzen.
"in diesem moment möchte ich an keinem andern ort der welt sein."
"mir geht’s genauso." meine stime war schwach und brach fast beim sprechen. "ich bin froh, hier zu leben."
"ich rede nicht vom hier leben, june, ich rede drüber, jetzt mit dir hier zu sein."
"na dann danke, elvis presley, das freut mich, daß du gern hier bei mir bist."
er drehte mich herum, hielt mich auf armlänge und sah mir in die augen.
"june, du mußt dich nicht vor mir fürchten; ich verspreche dir, daß ich dir nicht wehtun werde."
"ich fürchte mich auch nicht vor dir, elvis."
"warum zitterst du dann?"
"ich bin wohl ein bißchen nervös, das ist alles."
er zog mich näher heran und nahm mein gesicht in seine hände. dann küßte er meine stirn, beide augen, die nase und schließlich den mund. es war der sanfteste und zugleich leidenschaftlichste kuß, den ich in meinen siebzehn jahren bekommen hatte. die nächsten stunden verbrachten wir mit küssen und reden, reden und küssen, während sich der mond langsam über den himmel wälzte. elvis fand es lustig, als ich ihm gestand, daß ich noch nie beim ersten date schwach geworden sei.
"ich schwöre, das ist die wahrheit. heute ist das erste mal."
"ich glaub dir, baby. ich bin froh, daß es bei mir passiert."
"meine mutter hat immer gesagt, wenn ich in eine kompromittierende situation komme und gefahr besteht, daß ich mich gehen lasse, dann soll ich innehalten und an mich selber die frage richten: was würde meine mutter denken, wenn sie mich jetzt sehen könnte? das funktioniert immer! wenn wir schon bei meiner mutter sind, wie spät ist es eigentlich?"
"ein uhr fünfzehn? drei uhr fünf? keine ahnung."
"dann muß ich nach hause! ich war noch nie so lange weg!" wir rannten zurück zum auto. meine hoffnung, daß es wirklich erst viertel nach eins war, erfüllte sich nicht. die uhr im auto zeigte 3:15 an. das bedeutete, ich war in ziemlichen schwierigkeiten.
gottseidank waren es nur fünf minuten bis nach hause. als wir vorfuhren, war das haus in dunkel gehüllt und alles still.
"vielleicht schläft sie schon", flüsterte elvis.
"das will ich hoffen. was gibt’s da eigentlich zu flüstern?" wir kicherten wie die kleinen kinder, wenn ihnen ein streich gelingt.
"geh noch nicht, june. bleib noch ein kleines weilchen. oder noch besser, laß uns reingehen, sie wecken, und dann sagen wir ihr, du bleibst bei mir."
"bist du verrückt! die bringt uns beide um! ich bleibe, aber wenn ein licht angeht, muß ich loslaufen."
wir hatten unter einer straßenlaterne geparkt, und ich konnte seine perfekten gesichtszüge genau sehen. es fiel mir schwer, ihn nicht anzustarren.
"was ist dein nachname, june?"
"juanico." ich mußte ihn buchstabieren und immer wieder sagen.
"man spricht es aus wie spanisch juanita, nur daß am schluß ein –co kommt. ob du dir das wohl merken kannst?"
"das werde ich nie vergessen – june juanico. er hörte nicht auf, den namen zu wiederholen.
"hast du eigentlich geschwister, elvis?"
"ich hatte einen zwillingsbruder, aber der starb bei der geburt." als ich ihn "zwillingsbruder" sagen hörte, war mein erster gedanke: da schau her, noch einer wie du. dann fiel mir ein, daß es im süden ein verbreiteter brauch war, zwillingen reimende namen zu geben. aber auf elvis fiel mir nur ein einziger reim ein.
"welchen namen hätte deine mutter dem zwilling gegeben?"
"sein name war jesse garon, und ich bin elvis aron." seine mutter hatte also die mittleren namen sich reimen lassen."
[...]
"ich weiß, was du denkst, june: das einzige wort, das sich auf elvis reimt ist pelvis. kannst du dir vorstellen, wie mein bruder und ich uns fremden vorgestellt hätten: oh, hallo, mein name ist elvis, und der andre da is' mein bruder pelvis." er zog die worte in die länge wie der ärgste südstaaten-redneck, sodaß wir beide loslachen mußten.
"eigentlich ist das gar nicht zum lachen, june. ob du's glaubst oder nicht, aber es gibt tatsächlich leute, die mich elvis the pelvis nennen."
warum sollte dir jemand einen so schäbigen namen geben?"
"schätze, wenn man dabei ist, sich in diesem business einen namen zu machen, läuft einem automatisch das eine oder andere arschloch über den weg. entschuldige meine ausdrucksweise. ich versuche sowas zu ignorieren. wie steht's bei dir mit geschwistern?"
"ein bruder, er heißt jerry. er ist zwar zwei jahre älter, aber als wir klein waren, haben uns alle für zwillinge gehalten."
"june, darf ich dich irgendwann mal anrufen?"
"sicher, meine nummer steht im telephonbuch. unter dem namen meiner mutter. sie heißt may. das erklärt auch meinen namen: nach mai kommt juni. denkst du denn, es wird dich mal wieder hierher zurückverschlagen?"
"da werd ich schon dafür sorgen. ich ruf dich an."
"versprochen?"
"versprochen. ich verlaß dich nur ungern, baby, aber ich hab noch einen langen weg vor mir. ich habe lange gesucht, bis ich dich gefunden habe, june. aber jetzt muß ich los. die jungs machen sich sonst sorgen. so lang war ich noch nie weg."
"ich auch nicht!"
"paß gut auf dich auf, baby."
wir stiegen aus dem auto, er hielt mich eng umschlungen und küßte mich wieder übers ganze gesicht. wir konnten uns einfach nicht trennen.
"ich bring dich noch zur tür, june."
"oh nein! mama schläft genau da." ich zeigte aufs fenster.
"ich hoffe, du bekommst keine schwierigkeiten, baby."
"das hoffe ich auch." ich gab ihm noch einen schnellen kuß und rannte hinauf zum haus. bevor er ins auto stieg, warf er mir noch eine kußhand zu. ich sah ihm nach, als er wegfuhr und mit dem arm aus dem fenster winkte.
auf zehenspitzen schlich ich ins haus. mutter saß auf dem bett, und ich war mir sicher, daß sie hören konnte, wie heftig mein herz klopfte. ihre stimme klang streng.
"wo warst du?"
"ich bin nur draußen vorm haus gesessen und hab mich unterhalten. mir gehts gut, ich hab nichts schlimmes getan, wirklich."
"gut, dann geh jetzt zu bett. wir unterhalten uns morgen früh weiter." sie warf einen blick auf die uhr. "june, weißt du eigentlich, wie spät es ist?"
"ja, ma'am, es ist sechs uhr früh. es wird nicht wieder vorkommen, mama, ich versprech's dir. nie wieder."
ich kroch zu ihr ins bett und schloß die augen. ich konnte nicht einschlafen; dieser elvis presley geisterte mir im kopf herum. wann würde ich ihn wiedersehen? würde er mich anrufen? versprochen hatte er es ja.

[fortsetzung folgt]

Geändert von michael grasberger (12.04.2006 um 00:05 Uhr)
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