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Alt 09.04.2006, 12:55
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michael grasberger michael grasberger ist offline
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JUNE JUANICO

ELVIS: IM ZWIELICHT DER ERINNERUNG

in memoriam gladys love presey:
das ist der elvis, den wir kannten und liebten.


PROLOG

es war eine zweistündige fahrt von biloxi zum bahnhof von new orleans, wo elvis umsteigen sollte. wegen seiner flugangst hatte er beschlossen, mit dem zug von kalifornien nach memphis zu reisen. ganze tage im zug zu verbringen machte elvis nichts aus. so konnte er sich entspannen und seine gedanken sammeln. er hatte den kleinen umweg über new orleans eingeplant, weil sich dort die gelegenheit für ein rendezvous mit mir bot. was er nicht ahnen konnte, war, daß ich dorthin fuhr, um ihm lebewohl zu sagen.
im oktober 1956 hatte er mich in seinen armen gehalten und mir gesagt, er könne ohne mich nicht leben und ich solle für immer bei ihm bleiben. jetzt ist es märz 1957, und er schickt ein telegramm, ich möge ihn an der union station treffen, als sei alles beim alten. vielleicht war es das auch aus seiner sicht; sein leben lief in höchstgeschwindigkeit dahin, aber meine tage und nächte schienen endlos. in den letzten fünf monaten hatte er mich nur drei mal angerufen.
nachdem ich von seiner neuesten hausfreundin, einem showgirl aus las vegas, gelesen hatte, entschied ich, daß es an der zeit war, mich selber mal wieder mit jemandem zu verabreden. ich versuchte nicht, elvis zu vergessen, ich war es nur leid zuhause zu sitzen und treu zu sein. bald darauf las ich von einer neuen freundin, einem weiteren showgirl aus las vegas, die die weihnachtsferien mit elvis und seiner familie in memphis verbrachte. mehr brauchte es nicht. ich beschloß, aus elvis presley eine erinnerung zu machen.
ich begann mit einem ortsansässigen geschäftsmann namens fabian taranto auszugehen, der zehn jahre älter war als ich. er war frischgeschieden (die ehe hatte keine zwei jahre gehalten) und sah dem jungen clark gable verblüffend ähnlich – ohne dessen segelohren. er war sehr hübsch mit seinem schwarzen haar und den blauen augen. ein umwerfender mann. bald dachte ich nur mehr wenig an elvis. ich hatte den schmerz überwunden, und das gebrochene herz verheilte langsam wieder. wieviele showgirls elvis zu weihnachten oder wann immer nach hause schleppte, kümmerte mich nicht mehr.
ich las keine artikel mehr über ihn und hörte platten anstelle des radios (wo er allgegenwärtig war). wenn mich hartnäckige reporter befragten, verweigerte ich den kommentar. wenn das telephon läutete, hob meine mutter ab und sagte nur, "tut mir leid, aber june ist nicht da, und ich habe nichts zu sagen". die ungelesene fanpost stapelte sich monatelang.
wenn man jemanden wirklich liebt, greift man zum telephonhörer und ruft ihn an. elvis hatte mich zu lange hingehalten. wenn ich mit jemandem in einem continental mark 2 mitfuhr, hielt ich es auch nie am rücksitz aus. wenn ich nicht vorne sitzen konnte, blieb ich lieber gleich zu hause.
als fabian um meine hand anhielt, mußte ich nicht zweimal überlegen. ich sagte ja.
auf dem weg nach new orleans geriet ich mit meiner besten freundin pat
in eine hitzige diskussion über meine neue beziehung zu fabian.
"willst du es elvis wirklich erzählen?", fragte pat.
"sicher werde ich es ihm erzählen. deshalb treffe ich ihn ja."
"und dir ist es ernst mit dieser heiratssache?"
"ja, mir ist es ernst! was ist daran so schwer zu begreifen? wir haben schon eine termin ausgemacht. am ersten juni ist es soweit. june wird eine juni-braut." ich sprach meine worte langsam und in entschiedenem tonfall.
"june, glaubst du, das ist ein scherz? das kannst du ja wohl nicht ernst meinen!"
"doch, ich meine es ernst. ich liebe fabian und wir werden heiraten. damit hat sich's."
"june, noch vor wenigen monaten warst du in elvis verliebt! du kannst nicht klar denken. ich sorge mich doch nicht um elvis, ich mach mir sorgen um dich! du solltest nichts überstürzen wegen dem rückschlag mit elvis. weil er dich nicht angerufen hat, willst du's ihm jetzt zeigen!"
"das ist nicht wahr. ich liebe fabian und wir werden heiraten.und jetzt keine diskussionen mehr. okay?"
"okay, ich sag ja nichts mehr. so verwirrt, wie du bist, würden dich klare fakten wahrscheinlich noch mehr durcheinander bringen. nur eines noch, dann halt ich die klappe. okay?"
"ich höre."
"du bist dabei, eine entscheidung zu treffen, die dein ganzes leben verändern wird. ich finde, du solltest dir etwas mehr zeit nehmen, das ganze zu überdenken."
"ich bin das nachdenken leid, pat, und ich bin es leid zu hören, mit wem elvis gerade weihnachten verbringt. es ist vorbei!"
ich fühlte einen dicken knoten im magen als wir das schild WILLKOMMEN IN LOUISIANA passierten. ich drehte das autoradio an – laut – aber natürlich plärrte mir "don't be cruel" entgegen, also drehte ich es schnell wieder aus. pat schaute rüber und schüttelte den kopf. ich war neunzehn jahre alt und konnte verdammt noch mal selber über mein leben bestimmen – dachte ich zumindest.
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