Einzelnen Beitrag anzeigen
  #10  
Alt 29.05.2007, 09:17
Benutzerbild von Gilla
Gilla Gilla ist offline
Board-Legende

 
Registriert seit: 05.02.2007
Ort: Ahrtal/Rheinland-Pfalz
Beiträge: 14.970
Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%Gilla Renommee-Level 100%
Das Romy-Rätsel

Bis heute fasziniert sie uns. Ob als Sissi oder als Vamp. Vor 25 Jahren starb Romy Schneider

Von Monika Funk
Kino-Legende Romy Schneider Cinetext

Es ist Freitag vor Pfingsten, die Nacht zum 29. Mai 1982. Romy Schneider und ihr Lebensgefährte Laurent Pétain kommen nach einem Restaurantbesuch in ihr Pariser Appartement. Romy schenkt sich noch ein Glas Rotwein ein, Laurent geht zu Bett. Am nächsten Morgen findet er sie tot am Schreibtisch. Zehn Monate und 24 Tage nach dem Unfalltod ihres Sohnes David.
"Selbstmord", munkelt die Öffentlichkeit. "Natürliches Ableben durch Herzinfarkt", steht in der Sterbeurkunde. "Was um Himmels willen ist natürlich am Tod einer schönen jungen Frau von 43 Jahren?", entrüstet sich Romys Mutter Magda Schneider.
Magda Schneider war Romys Vorbild. "Ich will Schauspielerin werden wie Mammi", schreibt sie als 14-Jährige in ihr Tagebuch. Also darf sie an "Mammis" Seite in "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" zeigen, dass sie was kann. Wenig später wird das Prinzesschen zur Kaiserin gekrönt: Sissi - die Rolle ihres Lebens, die sie zeitlebens verflucht: "Die Sissi pappt an mir wie Grießbrei."
Die Nachkriegsdeutschen sind fasziniert von dem entzückenden, kreuzbraven Mädel. Anders wollen sie Romy nicht sehen. Weder auf der Leinwand noch in den bunten Blättern. Romys Flucht nach Frankreich nehmen sie ihr übel.
In Paris will die 20-Jährige endlich raus aus dem Kostümschinken-Kitsch, aus dem Kleinbürger-Mief der End-Fünfziger-Jahre. In Paris lockt das wilde Leben. Hier ist Alain Delon, ihre große Liebe. Und ihr Leid. "Lieber eine unglückliche Leidenschaft erleben, statt im Glück zu schnarchen", rechtfertigt sie später die Höhen und Tiefen ihrer vierjährigen Verlobungszeit.
Romy gibt sich zügellos. Sie macht sich den wilden Lebensstil Delons - ein Frauenheld wie ihr Vater Wolf Albach-Retty - zu eigen. Und sie kann endlich ihr wahres Talent zeigen: Luchino Visconti macht sie mit "Schade, dass du eine Hure bist" zum
gefeierten Bühnenstar. Das deutsch-österreichische Fräulein mausert sich zur aparten, charismatischen Madame. Auch unter dem Einfluss der Modepäpstin Coco Chanel.
Frankreich verehrt die neue Romy, Hollywood ruft, Alain Delon aber verabschiedet sich. Romy reagiert mit einem Selbstmordversuch, stürzt sich in Arbeit. Wie besessen dreht sie einen Film nach dem anderen, arbeitet mit bedeutenden Regisseuren wie Orson Welles und Otto Preminger, spielt an der Seite von Stars wie Yves Montand und Marcello Mastroianni.
Privat setzt sie auf Rückzug. Sie verliebt sich in den Berliner Theater-Regisseur Harry Meyen, heiratet ihn 1966. Nestbau im Berliner Villenviertel Grunewald, Sohn David kommt zur Welt. Romy spielt die Hausfrau, zelebriert das kleine Glück. Doch das ertragen beide Eheleute nur mit Alkohol und Tabletten.
Alain Delon holt sie wieder - für einen Film. Sie drehen "Der Swimmingpool", ein prickelnder Streifen. Die alte Leidenschaft entflammt nicht. "Nichts ist kälter als eine tote Liebe", kommentiert Romy. Erkaltet ist zu dieser Zeit auch die Liebe zu Harry Meyen. 1975 lassen sie sich scheiden, nach dreijähriger Trennung. Vier Jahre später nimmt sich Harry Meyen das Leben.
Auch die Ehe mit ihrem neun Jahre jüngeren Privatsekretär Daniel Biasini - 1977 wird die gemeinsame Tochter Sarah geboren - scheitert. "Ich kann nichts im Leben, aber alles auf der Leinwand", sagt Romy über sich. Also lebt sie ganz für die Leinwand: Sie verschmilzt mit ihren Rollen. Ihre unglücklichen Lieben, die Sucht nach Drogen und Anerkennung, ihre Zerrissenheit, ihre Verletzlichkeit, ihre Leidenschaft - das alles findet sich in ihren Filmen. Ihr schönes, ausdrucksstarkes Gesicht fasziniert, mehr aber noch die Tragik ihres Lebens, die sie umhüllt.
Die größte Tragödie aber, den Tod ihres Sohnes David, der mit 14 Jahren nach einem Sturz in einen Eisenzaun verblutete, konnte Romy nicht verschmerzen. Sein Tod nahm ihrem Herzen die Lebenskraft.

Berliner Kurier, 27.05.2007