Thema: CD/Vinyl Promised Land
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Alt 05.11.2006, 12:51
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Gast
 
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In gewisser Weise ist Promised Land ein besonderes Album. Nicht dass es die Musikwelt revolutioniert hätte; Mitte der 70er Jahre erwartete das auch wohl weder das Publikum, noch Elvis selbst. Tatsächlich befand er sich in einer Lage, in der niemandem mehr etwas beweisen musste. Eine fünfjährige Phase des größten Comebacks, das die Rock- und Popmusik bis dato gesehen hatte, lag hinter ihm, angefangen 1968 mit einem TV-Special und gekrönt mit einem weiteren, Aloha From Hawaii, im Jahre 1973. Genau genommen war es sogar sein zweites Comeback, nachdem er bereits 1960 den Topos des Comebacks (Star verschwindet, um dann einige Jahre später und größer als je zuvor wieder aus der Versenkung zurückzukehren - Tina Turner, Tom Jones, Johnny Cash u. a. haben es ihm nachgemacht) gewissermaßen "erfunden" hatte.

1975 hatte Elvis der Welt nichts mehr zu beweisen, außer vielleicht, was für ein außerordentlicher, ja herausragender Sänger und Entertainer er immer noch sein konnte und war. Sein ewiges Verlangen und Bestreben, seit der 1953 zuerst den Memphis Recording Service betreten hatte. So begab er sich in ruhigere Fahrwasser, was nicht heißen sollte, dass es still um ihn geworden war: Die Jahre 1973-75 war gekennzeichnet von heftigen Tournee-Aktivitäten quer durchs Land sowie den meisten Vegas- und Tahoe-Gastspielen seiner Karriere.

In diese Zeit hinein fielen drei Alben, die - nicht sonderlich erfolgreich - einen Aspekt seiner Karriere spiegelten, der einige Jahre zuvor noch für Aufruhr gesorgt und zu einem erheblichen Teil sein Comeback mit vorangetrieben hatte: Seine Rückkehr 1969 nach Memphis. Heimlich, still und leise hatte sich Elvis Mitte 1971 aus Nashville verabschiedet, der Stadt, in der fünfzehn Jahre zuvor seine unvergleichliche Weltkarriere ihren Anfang genommen hatte und die ihm (und er ihr) auch in weniger erfolgreichen Tagen die Stange gehalten hatte. 1971 fiel der Vorhang. Er tat es, ohne dass eigentlich irgendwer groß Notiz davon nahm. Zu einem erheblichen Teil dürfte der Grund dafür in den wieder aufgenommenen Live-Auftritten der frühen 70er Jahre zu suchen und zu finden sein. Als sich nach dem Höhepunkt des '73er TV-Specials Aloha From Hawaii ein gewisser status quo einzustellen begann, ging Elvis nach viereinhalb Jahren ein zweites Mal zurück nach Memphis. Doch dieses Mal blieb seine Rückkehr unbeachtet.

Das erste Album, das ihn "back in Memphis" präsentierte, Raised On Rock, war über weite Strecken durchschnittlich (und darunter) gesungen, schlecht (weil völlig diffus) produziert, schlecht platziert und in keinster Weise geeingnet, Aloha From Hawaii, dem letzten #1 Album seiner Karriere, nachzufolgen, so wie es From Elvis In Memphis 1969 nach seinem NBC-TV-Special getan hatte. Das zweite Album der Reihe, Good Times, floppte im darauffolgenden Jahr ungeheuerlich und stagnierte, obwohl ausgestattet mit einigen außerordentlichen Titeln, darunter die herrausragendsten Balladen der letzten Jahre, Loving Arms und Good Time Charlie's Got The Blues, sowie einer ungeheuer lebendigen Version eines weiteren Jerry Reed-Songs, Talk About The Good Times, auf einem enttäuschenden 90. Rang der Billboard Album-Charts.

Promised Land war in gewisser Weise tatsächlich ein besonderes Album. Nicht nur erwies es sich als das - wenn auch nur geringfügig - erfolgreichste der drei "Memphis-Alben" und als Elvis' erfolgreichstes "full priced" Album seit That's The Way It Is im Jahre 1970 (wenn man die beiden "Themen-Alben" I'm 10,000 Years Old - Elvis Country und He Touched Me einmal außen vor lässt). Es produzierte außerdem zwei immerhin Top 20-Singles (If You Talk In Your Sleep b/w Help Me und Promised Land b/w It's Midnight), die im Gegensatz zu den Jahren zuvor außerdem erheblich besser platziert waren, um das folgende Album zu promoten. Die vier Single-Auskopplungen von Promised Land brachten es mehr oder weniger lange zu festen Bestandteilen seiner Show - und wann tat das schon zuletzt ein Album?

Zusammen mit einem weiteren beachtenswerten Album, das Promised Land folgen sollte, Elvis Today (anders als Elvis Now 1972 wurde es seinem Titel gerecht), sah es 1975 prinzipiell gar nicht mal so übel aus für jemanden, der der Welt nichts mehr zu beweisen hatte. Zu sagen, dass er zurück an der Spitze war, ist vielleicht übertrieben, aber Alles in Allem war man zumindest gut positioniert und saß wieder einigermaßen fest im Sattel, war vielleicht so etwas wie etabliert, so wenig die Rock'n'Roll-Gemeinde dieses Wort bzw. vielmehr den Zustand, den es bezeichnet, auch leiden mag. Die Kritik jedenfalls reagierte auf Promised Land mit dem Kommentar: "If this is the best Elvis can do, he should retire." Billboard sah es etwas positiver und vermerkte, dass Elvis "was still bothering to experiment with his voice."

Man muss zurückgehen bis ins Jahr 1970, um eine einigermaßen geeignete Parallele zu finden. Damals war es That's The Way It Is, das einen derart weit gewählten stilistischen wie emotionalen Mix erfolgreich präsentierte. Es ist eben dieser Mix, der gut präsentierte und - nebenbei gesagt - außerordentlich gut gesungen, Promised Land so interessant und anziehend macht.

Der Titelsong ist ein "Opener" wie man ihn seit dem Klassiker Blue Suede Shoes auf Elvis Presley, Rip It Up auf Elvis (beide 1956) und vielleicht noch Trouble von seinem NBC-TV-Special-Album (1968) vergeblich sucht. Neben Johnny B. Goode dürfte es Elvis' stärkstes Cover eines Chuck Berry Songs sein (obwohl er sich auch mit Memphis Tennessee und Too Much Monkey Business nie lumpen ließ), wenn nicht das stärkste überhaupt. Es ist eine vibrierende, kraftvolle Performance, die Elvis und Band hier abliefern, voller Energie und Freude am Musikmachen, oder wie Dave Marsh es in seinem Essay zur sog. "70er Box" Walk A Mile In My Shoes formuliert: am "Musaking", einem Kunstwort, das die Begriffe "music" und "making" in einer Art kombiniert, wie nur Elvis Presley sie bedienen kann.

Mit dem folgenden Titel, There's A Honky-Tonk Angel, präsentiert Elvis eine seiner eindrucksvollsten Country-Balladen überhaupt. Ernsthaft, voller Hingabe, hervorragend phrasiert und gesungen, treffend arrangiert und produziert bietet der Song alles, was das Herz begehrt. Die in sanft-wohlwollender Reflektion präsentierte Zeile "How much more do you think I can stand?", die sich abwechselt mit den nachdrücklich fordernd vorgetragenen Zeilen "Oh, when there's an old friend out there and she's waiting / Lord, she's happy just holding my hand" erinnert in gewisser Weise an eine von Elvis' großartigsten Nummern der 70er überhaupt, I Really Don't Want To Know von seinem Country-Album. Dieselbe Intensität ist noch da, bis in die ansatzweisen Koloraturen hinein. Es ist, was die englische Sprache als "haunting", als ”packend" und "tief bewegend" bezeichnet, das diese Performance ausmacht. Country, die Herz-Schmerz-Musik, in der sich ein "Weißer" verlieren kann und darf wie es ”Schwarze" im Blues tun, war immer eine treibende Kraft der Musik Elvis Presleys. Hier beweist er es ein weiteres Mal. Ein wunderbarer und/weil alternativer Take des Songs mit teilweise deutlich vom Master abweichender Phrasierung und gesanglichen Führung findet sich auf Rhythm And Country - Essential Elvis Vol. 5.

Fortsetzung folgt ...