Einzelnen Beitrag anzeigen
  #149  
Alt 29.01.2018, 05:26
Benutzerbild von honeybee
honeybee honeybee ist offline
Board-Legende
 
Registriert seit: 29.01.2017
Ort: Essen/Ruhr
Beiträge: 11.758
honeybee Renommee-Level 22%honeybee Renommee-Level 22%honeybee Renommee-Level 22%honeybee Renommee-Level 22%honeybee Renommee-Level 22%honeybee Renommee-Level 22%
Elvis war ein solch großer Star geworden, dass alles was er tat, auf den Titelseiten der Zeitungen erschien. Vor allem in der Presse in Memphis. Der Memphis Commercial Appeal hatte eine weite Verbreitung und war an jeder Ecke zu kaufen. Es war, als würde Colonel Parker mir persönliche Berichte über Elvis' Liebesleben schicken.
Weihnachten ging ich mit Freunden aus. Alles war besser, als zu Hause auf einen Anruf zu warten, der vielleicht nicht kam. Einige Tage später sah ich ein Foto von Elvis mit einem anderen Showgirl, die Weihnachten mit ihm und seiner Familie am Audubon Drive verbracht hatte. Wenigstens war dieses Mädchen etwas hübscher als das erste.
Ich zerknüllte die Zeitung und warf sie in den nächsten Mülleimer.
"Das kannst du nicht Colonel Parker in die Schuhe schieben, Elvis Presley! Fahr' zur Hölle!"
Am nächsten Tag klingelte das Telefon. Es war Elvis.
"Frohe Weihnachten, Baby. Ich habe versucht, dich am Weihnachtstag anzurufen, bin aber nicht durchgekommen. Alle Leitungen waren belegt."
"Ist okay, Elvis, ich war ohnehin nicht zu Hause", sagte ich in scharfem Ton.
"Hattest du ein schönes Weihnachten, Baby?" fragte er zuckersüß.
"Klar, Elvis. Ich hatte ein großartiges Weihnachten, wirklich großartig! Wie war es bei dir?"
"Du klingst nicht wie du selbst, June, ist etwas nicht in Ordnung?"
"Nicht in Ordnung? Nein! Alles ist einfach schön, Elvis. Einfach schön!"
"Du bist sauer auf mich weil ich nicht angerufen habe, oder?"
"Himmel Nein! Warum in aller Welt sollte ich sauer auf dich sein? Du machst doch nur das, was du machen musst. Nebenbei, wahrscheinlich hat Colonel Parker dein Telefon verwanzt."
"Das traue ich ihm glatt zu. Der alte Sack kennt jeden Schritt, den ich tue", sagte er und versuchte, fröhlich zu klingen.
"Die ganze Welt kennt jeden Schritt, den du tust, Elvis, nicht nur der Colonel. Ich weiß, wann du aufs Klo gehst!" Meine Stimme klang, als wenn ich Rasierklingen gegessen hätte. Er war sehr still am anderen Ende der Leitung - und ich schwieg ebenfalls.
"Bist du noch da, Baby? June, bist du noch da?"
Ich saß am Fußende meines Bettes, sah in den Spiegel über meiner Kommode und konnte die Tränen sehen, die über mein Gesicht liefen. Echte Tränen - keine erzwungenen, wie auf dem Foto. Ich spielte mit dem Gedanken, aufzulegen, aber das brachte ich nicht fertig. Ich wollte, dass er über die Showgirls sprach, und mir versicherte, dass er in diese Situationen hinein gedrängt wurde. Irgendwelche Entschuldigungen. Irgendetwas. Aber es kam kein Wort der Reue oder des Bedauerns. Ich musste mich räuspern bevor ich antwortete:
"Ja, Elvis, ich bin noch da."
"Hör zu, Baby, ich muss los. Falls ich es nicht schaffe, dich anzurufen: ein schönes neues Jahr. Ich liebe dich, June. Ich muss los."
"Auch dir ein schönes neues Jahr, Elvis Presley!" Ich knallte den Hörer auf die Gabel.
Während ich in den Spiegel sah, dachte ich an das Foto. Ich hatte vergessen zu fragen, ob er es bekommen hat. Ich hatte mir viele Gedanken darüber gemacht, wie ich das Foto für ihn signieren sollte, und mich für ein einfaches "Für meine Liebe, für immer und ewig, June" entschieden. Aufgrund der Säcke voller Fanpost, die täglich bei ihm eintrafen, fragte ich mich, ob er das verdammte Ding überhaupt erhalten hatte; aber dann war es mir auch schon fast egal. Ein anderer seltsamer Gedanke schoss mir durch den Kopf: war das Bild von mir - weinend - eine Vorahnung gewesen oder einfach ein ironischer Zufall?
Es machte mir nichts aus, Elvis mit seinen Fans zu teilen, das fiel mir leicht. Ich konnte ihn aber nicht mit anderen Mädchen teilen. Ich konnte mein Leben nicht damit verbringen, an den Bühnenseiten auf ihn zu warten - und ich würde es nicht! Ich wollte nicht nur seine Nummer eins sein, sondern auch seine einzige.
Meine Neujahrsvorsätze waren, zu vergessen, dass ich jemals von Elvis Presley gehört hatte, aber das war nicht leicht. Wie kannst du einen Menschen vergessen, dessen Name in aller Munde ist? Ich setzte eine glückliche Miene auf - und scheiterte. Ich redete mir ein, dass ich für Elvis' Lebensart nicht gemacht sei. Sicher, es war aufregend, aber diese Aufregung endete nie. Elvis würde niemals ein Privatleben führen können. Er gehörte der Öffentlichkeit.


Zwischen Oktober 56 und März 57 rief Elvis zwei oder drei Mal bei June an. Zuletzt kurz nach Weihnachten. Das Telegramm, dass sie Mitte März erhielt, beinhaltete nur die Aufforderung, ihn am Bahnhof in New Orleans zu treffen, wo er einen Aufenthalt haben würde, bevor er weiter nach Memphis fahren würde. In der Geschichte ist man dann jetzt wieder an dem ersten Kapitel angelangt, das Michael in diesem Thread übersetzt hat.


Als Fabian Taranto mich zum ersten Mal einlud, mit ihm auszugehen, nahm ich die Einladung sofort an. Ich hatte so lange kein echtes Date gehabt - ich wusste kaum noch, wie man sich verhielt. Wir gingen zunächst ins Kino, dann aßen wir zu Abend und danach gingen wir tanzen. Etwas, was Elvis nie möglich sein würde. Ich hatte so viel Spaß; ich wollte nicht, dass der Abend endet, und Fabian ging es ebenso. Er trat in mein Leben als ich ihn am meisten brauchte.
Es war eine wirklich stürmische Romanze, und innerhalb weniger Wochen liebten wir einander. Ich hatte mich selbst restlos davon überzeugt, dass nichts und niemand anderes wichtiger war. Wir zwei waren die einzigen Menschen auf dieser Welt.
Als ich Elvis' Telegramm erhielt, datiert auf den 18. März 1957, war ich bereits verlobt. Ich fuhr nach New Orleans um Elvis ein letztes Mal zu sehen, und um ihn über meine Verlobung zu unterrichten.
"Die Rache ist mein", dachte ich unverhohlen.
Mein Kopf war voller Fragen, ich konnte nicht gerade denken. Wo würde ich anfangen? Würde ich die richtigen Worte finden? Was würde ich fühlen, wenn ich in seine Augen sah? Vielleicht würde ich ihm gar nichts sagen. Nein, das konnte ich nicht tun; ich musste ihm die Wahrheit sagen und keine Reue empfinden.
Wir parkten in der Nähe des Haupteingangs der Union Station, und plötzlich wurde mir schlecht. Ich dachte, ich würde mich auf dem Parkplatz übergeben müssen. Ich schaute auf meine Uhr. Ich hatte keine Zeit, mich schlecht zu fühlen.
Wir gingen in das riesige Bahnhofsgebäude, das voller Menschen war, und wussten nicht, in welche Richtung wir laufen sollten. Wie aus dem Nichts tauchten Red West und Gene Smith auf. Red ergriff meine Hand, und Gene nahm Pat an seine Seite. Wir drängten uns durch die Bahnhofshalle und erreichten die Schienenstränge, wo lange Züge aufgereiht standen. Wir überstiegen die Gleise und kamen schließlich zwischen zwei Waggons heraus. In einiger Entfernung sah ich Elvis, wie er sich aus einem Waggon herauslehnte und nach uns Ausschau hielt. Mein Herz setzte aus, als er vom Zug sprang und uns entgegen rannte. Mein Innerstes wollte flüchten, aber meine Füße gingen weiter in seine Richtung. Er hob mich hoch, gab mir einen Kuss und setzte mich wieder ab. Er grabschte nach meiner Hand und rannte mit mir zu einem anderen Zug, mit dem er die Fahrt fortsetzen würde. Er kletterte hinein und zog mich hinterher - direkt in seine Arme. Er trug mich zu seinem Privat-Waggon und fing an, mein ganzes Gesicht zu küssen.
"Oh June, ich habe dich so sehr vermisst, Baby. Ich bin so froh, dass du hier bist. Ich hatte Angst, du würdest nicht kommen. Lass mich dich ansehen ", sagte er und hielt mich auf Armlänge. Dann drehte er mich herum.
"Du siehst wundervoll aus, June. Ich lasse dich nicht mehr aus den Augen. Du kommst mit mir nach Hause, Baby. Warte bis du die Überraschung siehst, die ich für dich habe, June. Du wirst verrückt wenn du siehst, was ich für dich gekauft habe, du wirst wirklich verrückt werden."
Ich sah ihn niemals zuvor dermaßen aufgeregt - auch nicht dermaßen gutaussehend. Ich kämpfte gegen meine Gefühle an, dachte an Fabian und an den Grund für dieses Treffen.
"Ich kann nicht mit dir nach Hause fahren, Elvis. Ich habe keine Kleidung dabei", platzte ich heraus und umging die Wahrheit.
"Du brauchst gar nichts, Baby. Wir kaufen dir eine komplett neue Garderobe wenn wir zu Hause ankommen."
"Aber ich hatte nicht geplant, mit dir zu fahren, Elvis."
"Du brauchst keine Pläne! Den einzigen Plan den du brauchst, ist, dein Leben mit mir zu verbringen. Wir rufen deine Mutter an sobald wir in Memphis sind. Ich habe Mama gesagt, dass du mit mir kommst, Baby. Sie kann es nicht erwarten, dich zu sehen."
"Wir sind mit dem Auto von Pats Vater hier. Sie kann nicht allein den Weg nach Biloxi zurück fahren." Noch immer kam ich nicht mit der Wahrheit heraus.
"Das ist kein Problem, June. Einer der Jungs wird sie nach Hause fahren. Warte bis du die Überraschung siehst, die ich für dich habe, Baby. Du wirst es lieben."
Er hielt mich in seinen Armen. Wir standen in der Mitte des Waggons. Er gab mir nach jedem Wort einen Kuss. Ich dachte wieder an Fabian. Ich konnte nicht mit Elvis gehen. Elvis brauchte mich nicht, er hatte viele, viele Mädchen. Ich liebte Fabian und ich wusste, dass Fabian mich liebte. Fabian brauchte mich. Ich würde ihm nicht das Herz brechen. Ich vertraute ihm aus vollem Herzen; das war auch etwas, was ich bei Elvis niemals konnte. Ich musste aufhören, drumherum zu reden. Ich musste ihm die Wahrheit sagen. Schließlich platzten die Worte aus mir heraus: "Ich kann nicht mit dir gehen, Elvis. Ich bin verlobt und werde heiraten."
"Was hast du gesagt?"
"Ich sagte, ich bin verlobt und werde heiraten."
Sein Gesicht war ausdruckslos als er sich auf die Couch fallen ließ. Er legte für einige Sekunden seinen Kopf in seine Hände, dann hob er ihn an und schaute zu mir herauf.
"Du machst Spaß, June. Das kannst du nicht ernst meinen. Du versuchst es mir gleich zu tun, richtig?"
"Nein Elvis, ich mache keinen Spaß." Ich blickte in seine Augen und versuchte verzweifelt, nicht zu weinen.
Er legte erneut seinen Kopf in seine Hände. Der Schaffner rief "Alles einsteigen!", und der Zug ruckelte. Elvis schaute, diesmal mit leerem Blick, wieder zu mir herauf. Ich beugte mich zu ihm hinunter und küsste seine Stirn.
"Ich liebe dich, Elvis Presley. Ich werde dich immer lieben. Pass auf dich auf."
Ich rannte, griff nach Pats Hand und sprang vom Zug. Meine Augen waren tränenerfüllt und ich konnte kaum etwas sehen. Pat und ich gingen langsam zwischen den Gleisen Richtung Bahnhofsgebäude. Als ich mich umdrehte um dem abfahrenden Zug nach zu sehen, sah ich Elvis. Er hing in der Tür und winkte. Ich winkte zurück und schickte ihm einen Kuss. Ich stand dort, unfähig mich zu bewegen, beobachtete den Zug, und sah Elvis, wie er kleiner und kleiner wurde. Und dann war er fort.
Während der zweistündigen Fahrt zurück nach Biloxi schwiegen wir. Sogar das Radio war ausgeschaltet. Ich war niedergeschmettert genug, ohne "I Want You, I Need You, I Love You" oder "Love Me Tender" zu hören. Sogar der "Milkcow Blues Boogie" hätte mich an Selbstmord denken lassen.

Direkt am nächsten Tag erschien eine Schlagzeile in der Presse: ELVIS KAUFT GRACELAND!
Sollte das meine große Überraschung werden?
__________________
Would you sign me an autograph? - Sure, Honey!


Geändert von honeybee (29.01.2018 um 05:38 Uhr)
Die folgenden Nutzer bedankten sich bei honeybee für diesen Beitrag: