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Manhattoe 28.11.2006 22:43

Good Times (RCA) - Review
 
Good TimesGood Times?
Review



Nach Raised on Rock ist Good Times das zweite Album, das mit dem Material der 73er Stax Sessions bestückt wurde. Die LP erschien ursprünglich im März 1974 und blieb puncto Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück. Auch den Single-Auskopplungen (I've got a thing about you baby/Take good care of her und My boy/Thinking about you) war kein großer Erfolg beschieden. Das Album kam in den Charts nicht über Platz 90 hinaus (und gehört damit zu den Flop 5 der lifetime albums), die Singles schafften es immerhin auf die Plätze 39 und 20.

Der Opener Take good care of herist einer von zwei Titeln auf diesem Album, die im Juli aufgenommen wurden. Jorgensen schreibt, allein dieser Song hätte am ersten Aufnahmetag der Summer Session Elvis Interesse zu wecken vermocht (ALiM 366). Allerdings ist davon nicht allzuviel zu hören. Im Gegenteil: Take good care of her ist ein erschreckend langweiliges Lied, das von einem erschreckend gelangweilten Elvis mehr gewinselt als gesungen wird und so eher einschläfert als Interesse für dieses Album weckt: eine denkbar ungünstige Exposition. Die Opener der anderen beiden Stax-LPs, insbesondere Promised land, vermögen den Hörer in die Alben hineinzuschleudern und machen Lust auf mehr. Take good care of her hingegen ist quälend zäh und bewirkt, dass man sich von den ersten Takten an Sorgen um die Qualität dieses Albums machen muss. Und das, wie sich noch zeigen wird, nicht zu Unrecht.

Loving arms, wie alle folgenden Songs im Dezember 1973 aufgenommen, vermag diese Sorge aber zunächst zu zerstreuen, handelt es sich hierbei doch um einen stimmungsvollen Country Blues, der mir besser gefällt als sein Gegenstück Honky tonk angel. Elvis Stimme ist voll und sicher, der o.a. Winselton ist glücklicherweise nicht zu hören. Leider überzieht Elvis seine Interpretation etwas ("Dreaming of the arms that held me tight"), indem er eine mE unangebrachte Dramatik à la It's Midnight in den Song hineinbringt und dadurch die melancholische Textur von Loving arms aufreißt. Dennoch: ein feiner Song.

I got a feeling in my body bringt endlich Schwung in die Bude. Der gute Groove nährt die Hoffnung, dass sich die Zeiten nun endgültig zum Besseren wenden. Unüberhörbar ist hier der typische Stax-Sound zu vernehmen. Das Keyboardsolo ist ein Highlight. Es gibt wenige Songs in Elvis Repertoire, die derartig funkig daherkommen wie dieser. Elvis versucht mitzuhalten, was ihm auch über weite Strecken gut gelingt, aber seine Kurzatmigkeit, die ihn regelmässig zum Pressen der letzten Silben zwingt, insbesondere beim Refrainintro, bleibt nicht verborgen. I got a feeling in my body ist kein Knüller, ist aber als eigenwillige Interpretation eines religiösen Textes durchaus gelungen.

Die beiden nächsten Titel bremsen das just aufgenommene Tempo leider wieder aus und so kehren auch die Sorgen des Hörers zurück. Der Gospel If that isn’t love und und mehr noch die Ballade She wears my ring bedeuten die Rückkehr der Langatmigkeit. Wie es zwei derart uninspirierte Titel auf ein Album von Elvis Presley schaffen konnten, wäre mir ein Rätsel, wenn ich nicht gelesen hätte, dass She wears my ring zu Elvis Lieblingsliedern gehörte. Dies mag erkären, weshalb er 18 Takes investierte, um sich dann letztendlich mit Take 10 zufrieden zu geben. Das macht das Lied in meinen Augen allerdings nicht besser, ebensowenig wie Jorgensens Einschätzung, Elvis habe If that isn’t love mit Leidenschaft und Überzeugung gesungen (379). Beide Songs sind mit ähnlichen Streicher- und Chorarrangements ausgestattet, die die musikalische Schmalkost zu allem Überfluss noch in einem kleistrigem Hintergrundbrei ertränken, was die Banalität der Texte und Reime aber leider nicht verbergen kann:

This tiny ring is a token of tender emotion
An endless pool of love that's as deep as the ocean
She swears to wear it with eternal devotion
That's why I sing, because she wears my ring

Solche Zeilen und Arrangements mögen im Musikantenstadl oder auf dem Traumschiff für Entzücken sorgen, auf einem Album meines Lieblingssängers kann ich auf Klischees dieses Kalibers gut verzichten. Da hilft es auch nichts, dass Elvis versucht, den Songs etwas abzugewinnen. Aber die melodische Entwicklung ist stets vorhersehbar und irgendwie hatte ich bereits beim ersten Hören (long ago) den Eindruck, diese Songs schon lange zu kennen.

Die ehemalige B-Seite der LP startet mit I’ve got to think about you baby, eine flotte Nummer, die Elvis in unerwarteter Leichtigkeit und Frische vorträgt, den schwachen Eindruck der letzten beiden Songs allerdings nicht wettmachen kann. Auch dieser Titel weist einen angenehmen Funk Touch auf. Im Vergleich zum schwerfälligen Beginn der A-Seite steht die zweite Hälfte des Albums unter einem deutlich besseren Stern.

My boy ist ein Textverwandter von Separate Ways, entwickelt allerdings nicht die schlichte und überzeugende Ehrlichkeit des früheren Titels. My boy ist alles andere als eine typische Elvis-Nummer, die aber durchaus Charme zu versprühen vermag und bereits einige Monate zuvor in Elvis Konzertrepertoire auftauchte. Elvis legt sich richtig rein in den Song, war aber laut Jorgensen nach dem zweiten Take nur schwer dazu zu bewegen, eine dritten aufzunehmen (378).

Spanish eyes klingt wie ein Gruß aus alten Hollywoodzeiten, und so weht ein schwacher Hauch der 60s durch das Good Times-Album. Bedauerlicherweise mangelt es Spanish eyes an der delikaten Süße früherer Latino-Titel, und so verkümmert die Nummer, obwohl Elvis konzentriert bei der Sache ist. Man stelle sich nur vor, wie Elvis zehn Jahre zuvor eine Zeile wie "Please say ¡Si! ¡Si!" zelebriert hätte. Hier geht sie, zumindest mir, wegen des unterschwelligen Jammertons auf die Nerven. Elvis Stimme ist 1973 für solche suave Titel einfach nicht mehr geeignet.

Man mag es kaum glauben, aber es dauert tatsächlich bis zum neunten Track, bevor Good Times mit der ersten wirklich memorablen Nummer aufwartet. Ironischerweise ist Talk about the good times ein R&B-Standard (aus der Feder von „Guitar man“ Jerry Reed), aber wie so oft gelingt es Elvis auch hier, einem bereits zuvor erfolgreichen Song seinen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken. Talk about the good times peppt das insgesamt doch recht müde Album gewaltig auf. Wälzte sich Elvis eher routiniert durch die Balladen, so ist er hier zweifellos mit Spaß bei der Sache. Der Song ist sicher kein Opener par excellence, aber kein anderer Titel dieses Albums ist dafür besser geeignet als dieser, zumal der Titel der LP diese Eröffnung geradezu nahelegt. Der Text des Songs beklagt den Verlust der guten alten Zeiten oder kann damit als unfreiwilliger Kommentar auf Elvis Karriere verstanden werden.

Good time Charlie’s got the blues schlägt den gleichen Tenor an, aber hier ist die nostalgische Schwelgerei nicht als fetziger Country Rock, sondern als bittersüße Ballade verpackt. Das im doppelten Sinn traumhafte Gitarrenintro, Elvis entspannte, gedankenverloren erscheinende Interpretation, die latente Brüchigkeit in seiner Stimme, ein gefühlvoller wie unaufdringlicher Backgroundchor und ein ansprechender Text, der den Hörer für die Oberflächlichkeit der anderen Balladen entschädigt, machen aus diesem Song mehr als nur eine runde Sache. Der Song ist eine kleine Perle. Es ist – endlich! - "unser" Elvis, der hier singt:

You know my heart keeps tellin' me
You're not a kid at thirty-three
Play around you'll lose your wife
You play it too long you'll lose your life

Good time Charlie’s got the blues ist perfekt geeignet als letzter Track für dieses Album, indem er nicht nur dessen Titel aufgreift, sondern auch für einen besinnlichen wie versöhnlichen Ausklang einer LP sorgt, die mE das schwächste der drei Stax-Alben darstellt.

Es sind diese letzten beiden Tracks die das Album davor retten, vollständig im mauen Mittelmaß zu versinken. Auch wenn sie die Highlights darstellen, so markiert doch gerade ihr ironisch-nostalgischer Bezug zum Titel Good Times, dass die guten Zeiten für Elvis 1973/74 bereits der Vergangenheit angehörten.

TheKing 28.11.2006 23:15

Meinen vollen Respekt und Dank für diese Review. :top: Im wesendlichen kann ich nicht widersprechen, wenn es auch graduelle Unterschiede in der Wertung/Wahrnehmung bei mir gibt, aber das ist ja völlig klar und normal.

epe 28.11.2006 23:21

Dankeschön! Interessantes Review!

Die LP gefällt mir allerdings besser als Dir.

Die vier ersten Songs der A-Seite vermitteln insgesamt schon eine gewisse "feierliche" Atmosphäre und die Art der Interpretationen von Elvis war im Vergleich zu den Voralben schon neu. Klar, charttauglich war das alles nicht.

Die B-Seite höre ich so wie Du mit einer Ausnahme: In Spanish Eyes gefällt mir das "Duett" mit Voice unendlich gut. Charlie´s ist dann natürlich das Highlight überhaupt, einer meiner Lieblingssongs.

epe :top:

Manhattoe 29.11.2006 07:02

Zitat:

Zitat von epe (Beitrag 155045)
Die vier ersten Songs der A-Seite vermitteln insgesamt schon eine gewisse "feierliche" Atmosphäre und die Art der Interpretationen von Elvis war im Vergleich zu den Voralben schon neu. Klar, charttauglich war das alles nicht.

Vielen Dank für Eure Kommentare TheKing und epe.

Das mit der feierlichen Atmosphäre kann ich nur sehr bedingt nachvollziehen.
Take good care of her und If that isn’t love wirken schon sehr getragen (meinetwegen feierlich), aber ich verstehe dnn nicht, weshalb Du dann She wears my ring ausschließt. Der Song ist doch sicherlich feierlicher als I got a feeling und Loving arms.

Ich habe bei diesem Album - viel mehr noch als bei den anderen Stax-LPs - den Eindruck, dass Elvis hier mindestens fünf Titel singt, die gar nicht richtig zu ihm passen.

gast-20071119 29.11.2006 07:08

Schönes Review zu einer schönen Platte!

Manhattoe 29.11.2006 07:40

Zitat:

Zitat von Help_Me (Beitrag 155071)
Schönes Review zu einer schönen Platte!

Schönen Dank.

Ich habe übrigens dieses Album für die Review ausgesucht, da ich annahm, dass Eure Beurteilungen weiter auseinanderliegen würden als bei den anderen Stax-LPs. Das scheint, zumindest bislang, aber nicht der Fall zu sein.

Wie seht Ihr Good Times im Vergleich zur Raised on Rock bzw Promised Land?

gast-20071116 29.11.2006 11:39

Zitat:

Zitat von Manhattoe (Beitrag 155072)
Wie seht Ihr Good Times im Vergleich zur Raised on Rock bzw Promised Land?

Manhattoe, junger Padawan, er sich hier fleißig um den Thron des Reviewers einsetzt... :grins:

Was die Good Times angeht, so finde ich auch den Einstieg mit Take Good Care of Her eher schwach, ja eigentlich "lustlos", einfach nicht "Opening Song würdig", dies finde ich bei Promised Land besser umgesetzt, da ist man sofort "Kick ass, Dude" drin...

Den nachfolgenden Song Loving Arms mag ich sehr, schönes Arrangement, ein in meinen Ohren selbstsicherer Elvis, der dem Song eine einzigartige Performance zu entlocken bietet, ein mehr als würdiger "Einstieg" im Vergleich zum schläfrigen Jammeranfang mit Take Good Care Of Her...

I Got A Feelin´ In My Body finde ich, auch wenn es bestimmt nicht der richtige Term ist, ziemlich "Funky", persönlich mag ich den, trotz aller sich überschlagenden "Atemtechniken", Alternate take 7 von der FTD Easter Special am meisten, der Anfang (also Instrumentierung, genauer gesagt) erinnert mich jedesmal an ein Blaxploitation Movie, wo dann gleich Shaft um die Ecke cruisen würde... :hurra:

If That Isn´t Love mag ich einfach, finde Song super entspannend, ist für mich nichts Verkehrtes dabei, außerdem fasziniert mich der Anfang, den performt er so richtig Glockenklar, mit der ihm einzigartigen Unnachahmlichkeit...

He left the splendor of heaven
Knowing his destiny
Was the lonely hill of Golgotha
There to lay down his life for me


Ich weiß ja nicht, sicherlich mag dies in geschriebener Form jetzt keine großartige Wirkung erzielen, aber der mit dem Material vertraute, dafür empfängliche Hörer, wird meine Intention hoffentlich nachvollziehen können... :brav:

I´ve Got A Thing About You Baby ist für mich ganz klar eines der Highlights der versemmelten 1. Stax Session, der Song groovt einfach, sehr lässig - eine willkommene Abwechslung zu den oft elegisch getragenen "Verlust Songs" (obgleich ich jene weder diskreditieren, noch gar missen möchte!)

She Wears My Ring, damit konnte ich noch nie richtig etwas anfangen, mir zu spärlich instrumentiert, stehe nicht so auf diesen reinen "Elvis vocal focus"... Song gint mir nichts, haut mich nicht vom Hocker = Albumfüller... (Ja, schlagt mich, schlagt mich! :grins:)

My Boy = Top Song, sehr gefühlvoll und dramatisch dargeboten, eine Towering Performance - persönlich suspiziere ich ja immer, unser Freund aus Tennessee hat in Gedanken immer "Daughter" statt "Boy" herumschwirren gehabt - wäre vielleicht nicht abwegig, hm? (Lasst mir doch einen Schuss verklärte "Elvis Romantik", ja? :ups:)

Spanish Eyes , ich mag dieses "Eine Hazienda, mein Mädchen und der Sonnenuntergang" Gefühl beim Anhören - für mich der letzte "Latino Ausflug" des Meisters...

Talk About The Good Times mag ich nicht, ist mir zu schnell "Heruntergerasselt", bleibt mir nicht im Ohr "kleben" = Albumfüller Nr. 2...

Good Time Charlie´s Got The Blues
= Bester Song auf diesem Longplayer und ein würdiger Abschluß, ganz großes Audiokino auf der Emotionsklaviatur, ich habe ja einen Hang zur fatalistischen Abgeklärtheit, deswegen kann ich beim elegisch vorgetragenen Refrain auch immer so schön Gedankenverloren mitsummen...

Some gotta win, some gotta lose
Good time Charlie´s got the blues
Good time Charlie´s got the blues
Good time Charlie´s got the blues


Raised On Rock (Album, nicht der Song) finde ich schwach, da ist Good Times, schon homogener, m. M. nach hätte man die Good Times als Doppel Album zusammen mit den 10 Original Songs der Promised Land veröffentlichen sollen, dann wären wohl eher "Good Times" zu erwarten gewesen...

Nichtsdestotrotz ein feines Werk eines reifer gewordenen Mannes, welches für mich den Einstieg in die "Melancholie" seiner letzten Jahre einleitet...

@ Padawan Manhattoe: Er nun wird mit stetem Eifer abarbeiten den Katalog unseres Freundes aus Tennessee? :brav:

Manhattoe 29.11.2006 15:49

Zitat:

Zitat von Master Sniper (Beitrag 155115)
I Got A Feelin´ In My Body [...] der Anfang (also Instrumentierung, genauer gesagt) erinnert mich jedesmal an ein Blaxploitation Movie, wo dann gleich Shaft um die Ecke cruisen würde... :hurra:

Das kommt natürlich nicht von ungefähr, hat Isaac Haeys doch das Shaft-Album in eben jenem Stax-Studio eingespielt.

Herbi 29.11.2006 21:51

...sehr schönes review Manhattoe !!:top: ..wenn nur nicht diese blöden tonstörungen auf der deutschen cd pressung währen !!:noidea:

Tschabo 29.11.2006 21:58

Zitat:

Zitat von Herbi (Beitrag 155344)
...sehr schönes review Manhattoe !!:top: ..wenn nur nicht diese blöden tonstörungen auf der deutschen cd pressung währen !!:noidea:

Tonstörungen? Sind mir nie aufgefallen. Wo denn?


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