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Zitat von Harty
Airplaycharts werden oft als manipuliert erklärt , weil einige Radiostationen dadurch einen Song promoten wollen, damit er verkauft wird....
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Zitat von RADER
Luftnummer? Wo steht das, der Sender hat nichts davon, manipulieren geht nicht, dazu müssten sich alle Sender einig sein, was zu viel Arbeit wäre. Und warum auch.
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Worüber 'einig'?! Etwas gemeinsam manipulieren zu wollen? Schriftlich dann fixiert das ganze auch noch, oder wie?!
Es reicht doch, wenn sich ein Moderator (nach persönlichem Bauchgefühl) hinsichtlich eines bestimmten Songs oder auch ob des Gesamtwerks eines Künstlers darin mit sich selbst einig ist, diesen NICHT zu spielen. Ein ganzer Sender könnte sich gar der Devise hingeben, so beispielsweise Elvis nicht mehr spielen oder auch Whams "Last Christmas". Alles schon vorgekommen. Und sollte ein solcher Sender nunmehr zudem in seinen (angeblich) offiziellen Chart-Sendungen hinsichtlich Verkauf oder auch allgemeinem Radioeinsatz dieses Lied/diesen Künstler prinzipiell unterschlagen, wären besagte Sendungen/Sendungsverläufe manipuliert. Hatten wir bei Elvis auch schon im TV (UK).
Man mag Harty wie auch mir diesbezüglich gänzliches Unwissen unterstellen wollen. Allerdings sind eben auch Raders 'Ergüsse' ("20 Jahre beim Rundfunk") in meinen Augen prinzipiell nicht dazu geeignet, ihm hier -was auch immer betreffend- irgend etwas fraglos abzunehmen.
Lauschen wir doch mal u.a. den Herren Beierlein (Schlagermanager), Lechner (Chefredakteur MUSIKMARKT), Czapski (Ariola-Marketingchef), Kögel (Südwestfunk-Redakteur) oder auch Jäger (NDR-Programmdirektor), welche sich diesbezüglich einst (1977) austauschten bzw. zu Wort meldeten:
Zitat:
MUSIKMARKT
Jubeln und mogeln
Mit einer derzeit probeweise beim Plattenhandel erhobenen und über Computer ermittelten "Verkaufshitparade" soll bewiesen werden: Fast alle bisherigen deutschen Hitlisten waren falsch.
Schlagermanager Hans R. Beierlein machte sich einen Jux. Sein Star Udo Jürgens, so telexte er Ende letzten Jahres an das Branchenblatt "Der Musikmarkt", habe 1976 eine Million Langspielplatten sowie eine halbe Million Singles verkauft und sich in einer "Musikmarkt"-Erfolgsliste dennoch nur als Achter placiert. Frage an Chefredakteur Uwe Lencher: "Wie viele Platten haben die sieben vor Udo Jürgens placierten Interpreten verkauft?"
In zehn zwischen den beiden "intimen Kennern" des Musikmarkts (Beierlein über Lencher und umgekehrt) gewechselten Fernschreiben ließ sich die Frage nicht klären.
Beierlein: "Ich bin sicher, daß Sie eine so interessante Publikation wie Ihre Aufstellung der erfolgreichsten Interpreten des Jahres 1976 nicht leichtfertig aus Ihren -- wie wir beide wissen -- skurrilen und weitgehend vom Zufall bestimmten Hitlisten gesogen haben."
Lencher: "Tatsächlich haben wir unsere Aufstellung zwar aus unserer "Hitliste gesogen", sind nichtsdestoweniger jedoch der Ansicht, daß sie durchaus den Tatsachen entspricht. Unsere ständig steigende Abonnentenzahl signalisiert zumindest einen solchen Eindruck."
Beierlein: "... bitte ich Sie um eine Ihnen genehme Erklärung, wobei ich Sie bitte. Abonnementszahlen" Wasserstände und Angaben über die Erdumrundung ausnahmsweise außer Ansatz zu lassen."
Lencher: "Sie sehen also, daß mir die absoluten Umsatzzahlen nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein können. Wegen dieser Zahlen müßten Sie sich direkt an die Plattenfirmen wenden."
Beierlein: "Lassen Sie mich das groteske Versteckspiel mit einem hebräischen Sprichwort beenden: Erwarte nicht, daß ein leerer Krug viel Wein enthält. Im herzlichen Gedenken an jene, die Ihren Umfragen ein Quentchen Seriosität zugetraut haben, bin ich kopfschüttelnd Ihr ..."
Das Kopfschütteln über Lenchers Liste, bei allen Mängeln immer noch die realitätsbezogenste im deutschen Schlagerdschungel, hat sich jetzt bei einem Hitparaden-Fachausschuß des Phono-Verbandes fortgesetzt. Beim Vergleich der "Musikmarkt"-Hitparade mit einer repräsentativ auf der Basis echter Umsatzzahlen beim Handel erhobenen und durch Computer ermittelten "Verkaufshitparade" der Firma Media Control in Baden-Baden stellte das Gremium "Abweichungen bis zu 15 Positionen" fest -- so Ariola-Marketingchef Alfred Czapski.
Laut Czapski sei die "Musikmarkt" Erhebung als Popularitätsbarometer des schnellebigen Schlagermarktes überdies "relativ schwerfällig". In der ersten Junihälfte" als sich beispielsweise die neue Langspielplatte "Love for Sale" der Gruppe Boney M. bei Media Control bereits als Nr. 3 placiert hatte, war sie auf den 50 LP-Plätzen des "Musikmarkts" noch gar nicht verzeichnet.
Vorletzten Freitag beschloß der Phono-Verband unter dem Druck von Fachkritikern, Media Control -- auch das Demoskopische Institut in Allensbach hatte sich beworben -- mit der Ermittlung der ersten korrekten Platten-Bestsellerliste in der Bundesrepublik zu beauftragen. Denn auch die ZDF-"Hitparade" mit Dieter "Thomas" Heck und 28 Schlager-Rallyes der Hörfunksender (Ausnahme: die demoskopisch ermittelte "Schlagerparade" des Saarfunks), das will Media Control mittlerweile nachweisen, sind vermutlich falsch: Sie haben keinen Marktbezug und entsprechen nicht der Reihenfolge der Lieder, die das Publikum am meisten schätzt.
Seit Februar vergangenen Jahres läßt der ehemalige Südwestfunk-Redakteur Karlheinz Kögel 25 Hörfunkprogramme der Bundesrepublik von seinen elf Media-Control-Mitarbeitern in Berlin, Ulm, Baden-Baden und Lingen im Emsland mitschneiden und über Computer auswerten. Schallplattenfirmen erfahren von ihm gegen Entgelt, welcher Heuler in welchem Sender und zu welcher Sendezeit wie oft pro Woche abgespult worden ist.
Immer wieder stolpert er dabei über die "Ungereimtheiten" des Hitparadensystems. "Im Extremfall", sagt Kögel, "bieten die 29 ARD-Schlagerbörsen in der gleichen Woche 29 verschiedene Nr.-1-Notierungen an." Da kommt es zum Beispiel vor, daß Schnulzen bei einzelnen Sendern Spitzenpositionen erreichen, die nirgendwo anders und auch nicht im umsatzorientierten "Musikmarkt" auftauchen -- so in der letzten Juniwoche beim hessischen "Schlagerlotto" ("Zieh mit dem Wind" von Roland Kaiser) oder in der Bremer Hitparade ("Tag für Tag seh ich dein Bild vor mir von Adrian Wolf).
Nicht die Beliebtheit beim Hörer entscheidet nämlich diese fragwürdige Hit-Auswahl, sondern der persönliche und von der Industrie unter gewissen Umständen zu beeinflussende Geschmack des Programmgestalters, der nur bestimmte Titel zur Wertung vorschlägt. Die Funk-Fürsten verteidigen ihr manipulatives System: "Bei einer Schlagerparade, die nur nach Verkaufsziffern und dem Publikumsgeschmack zusammengestellt wird, müßten wir auch Titel spielen, die wir nicht im Programm haben wollen" (NDR-Programmdirektor Wolfgang Jäger).
Zudem verfälscht der Interessenklüngel schreibwütiger Fanklubs das Bild. Bei einzelnen Sendern -- das wurde letztes Jahr bei einem Hitparaden-Symposion des Saarländischen Rundfunks offenbar -- reichen 300 Zuschriften für eine Top-.Position. Manager Beierlein über Fanklubs: "Sendungen öffentlich-rechtlicher Anstalten werden zum Spielball gerissener und verantwortungsloser Fälscher degradiert."
Vor zwei Jahren publizierte das Düsseldorfer Jugendmagazin "ran", daß beim Südwestfunk mitunter bereits drei oder vier Hörerstimmen für den Platz 6 ausreichten und das Hit-Team einen Schlager wie Joy Flemings "Kall, oh Kall" wochenlang ohne eine einzige Stimme als Nr. 1 aus dem Sender schickte.
Durch Media Control" hoffen die Plattenmacher, soll zumindest an einer Stelle eine saubere Statistik entstehen. Denn die Hitparade ist nicht nur "eine Bibel für die Disposition des Handels" (WEA-Direktor Siegfried E. Loch), auch internationale Verträge zwischen den Plattenfirmen werden in der Regel auf der Basis von Hit-Notierungen kalkuliert: Ein Haus mit vielen Volltreffern ist für ausländische Lizenzpartner attraktiv.
"Wenn man es darauf anlegen würde", sagt Loch, "wäre die "Musikmarkt"-Hitparade von außen manipulierbar." Da die Zeitschrift jede Woche bei etwa 400 Plattenhändlern lediglich die Reihenfolge der bestverkauften Titel, nicht aber die Umsatzzahlen abfragt, könnten mehrere Verkäufer, die einen bestimmten Schlager partout hochjubeln wollen, dabei unkontrollierbar mogeln.
Entscheidender noch: Die Maid an der Ladenkasse wird sich zwar mit einiger Sicherheit erinnern, welche fünf Platten die Bestseller der Woche sind, welchen Schlager sie jedoch auf Platz 13 oder 19 einträgt, wird in der Regel gemutmaßt. In die Media-Control-Listen werden dagegen täglich für die 50 Hits der Vorwoche sowie in zehn Freifelder für Novitäten von 1284 Händlern die definitiven Verkaufszahlen eingetragen. In einem komplizierten Computerprogramm, in dem die teilnehmenden Händler nach 25 Kriterien wie Regionalzugehörigkeit, Ortsgröße und Umsatzvolumen unterschiedlich gewichtet werden, will Kögel sodann ein statistisch korrektes Bestsellerbild ermitteln.
Mittels eines "Zufallsgenerator" genannten EDV-Verfahrens wählt der Computer aus den eingesandten Fragebogen ein wöchentlich wechselndes Sortiment zur Endauswertung aus. Auf jeder Stufe des Rechenvorgangs sind überdies Kontrollmechanismen eingebaut, die unwahrscheinlich hohe und von den Kriterien des einzelnen Händlers abweichende Notierungen sofort kenntlich machen.
Im Rundfunk wird allerdings trotz dieses annähernd astreinen Ermittlungssystems auch künftig kaum zu erfahren sein, welche Songs das Fanvolk durch Abstimmung an der Ladenkasse wirklich hören will. Für die Programmgestalter sind Schlagerparaden nun einmal "keine Angelegenheit von nationaler Bedeutung, sondern ein Unterhaltungsangebot wie unzählige andere Sendungen auch" (NDR-Jäger).
Beierlein: "Wenn man ihnen Glauben schenken darf."
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DER SPIEGEL*29/1977
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