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Alt 05.11.2007, 10:49
gast-20071202
Gast
 
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Gott, wen kennt man schon? Kennt man wirklich alle Wünsche, Bedürfnisse, Neigungen, Motiviationen, Träume, Ängste, Befürchtungen seines Partners / seiner Partnerin? Kennt man seine Eltern tatsächlich, so wie man immer glaubt bzw. wie man glauben soll und will? Weiß man, was sie angetrieben hat in der Zeit, bevor man selbst da war und begann, sich einzubilden, man würde sie besser als jeden anderen Menschen auf der Welt verstehen (können)? Kennen Eltern ihre Kinder, nur weil sie ihnen mal die Windeln gewechselt und vielleicht gerade einmal ein Viertel ihres Lebens mit ihnen unter einem Dach verbracht haben? Und kennt man wiederum seinen Bruder / seine Schwester, nur weil man gemeinsame Eltern hat?

Der Mensch hat doch schon das größte Problem damit (und möglicherweise die Aufgabe seines Lebens), sich selbst überhaupt zu kennen. "It's a lifetime study to find out who you are!", wie es Ronnie (Carolyn Jones) in King Creole formuliert. Ich denke nicht, dass man andere wirklich kennen kann, zumindest niemals komplett. Man kann nur sich selbst kennen (was hart genug sein kann) und dann versuchen, andere zu verstehen.

Die Frage, ob "wir" Elvis kennen, ist m. E. nicht zu beantworten. Man kann immer nur für sich selbst sprechen. Und da würde ich meinen, dass ich ein einigermaßen deutliches Bild von der Person habe. Ja, es kann alles völlig unzutreffend sein, aber das kann es immer. Was denkt eine Mutter, wenn der Sohn sich eine Knarre schnappt und Amok läuft? Oder wenn man den eigenen Mann plötzlich in Strapsen und Schminke "erwischt"? Oder eine 45jährige Ehefrau und Mutter mehrere Kinder plötzlich alles hinschmeißt und sich einen 20jährigen Liebhaber sucht? War dann das, was vor diesen Brüchen an Leben stattgefunden hat, alles "unzutreffend"?

Ich denke, es ist am ehesten eine Frage des eigenen Menschenverstandes, der Menschenkenntnis, der Lebenserfahrung, der vorhandenen oder erlernten Fähigkeit, das Verhalten von Menschen zu "lesen", das einen befähigt, sich ein Bild zu machen. Und letzten Endes fragt ja auch niemand danach, ob das Bild wirklich zutreffend ist. Kann es nicht sein. Leben ist nicht objektivierbar. Die Frage ist für mich am ehesten, ob ein Bild schlüssig ist, ob ich es selbst erklären, nachvollziehen und verstehen kann. Dann ist es "richtig". Verändern kann sich dieses Bild in jedem Fall immer. Vor zehn Jahren hatte ich eine andere Vorstellung von Elvis. Und in zehn Jahren wird es möglicherweise wieder eine andere sein. Allerdings trifft das auch auf so gut wie alles andere in meinem Leben zu.

Insofern: Wenn "kennen" das definitive Zuteilen und Festschreiben vermeintlicher Eigenschaften bedeutet, dann kennen wir nichts wirklich in diesem Leben. Auf der anderen Seite sind Kenntnis der Umstände, genaues Hinschauen, Reflektieren, der eigene Menschenverstand, Menschenkenntnis und Erfahrung ziemlich gute Werkzeuge, um sich dem sich stets verändernden Leben anzunähern ...