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Alt 31.10.2017, 18:12
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Zitat:
Zitat von honeybee Beitrag anzeigen
Glaubst du nicht, dass sich erwachsene Menschen an die Dinge erinnern können?
Ja, das hab ich auch mal geglaubt ...

... bevor ich anfing, mich mit der Psychologie und Biologie des Gedächtnisses zu beschäftigen. Jetzt sage ich nur: das Gedächtnis ist ein echter Gaukler mit einem miserablen Gedächtnis.
Nicht nur, dass wir mehr vergessen, als wir uns merken, es kann uns sogar Dinge vorgaukeln, die nie gewesen sind.

Das Gedächtnis ist keine Videokamera, die Detail getreu alles chronologisch aufzeichnen würde. Selbst die Dinge, die schlussendlich im Gedächtnis bleiben, kommen dort bereits ziemlich verzerrt an. Zu jedem Erlebnis, das wir haben, kommen nämlich unsere Emotionen während des Erlebnisses dazu. Abgesehen davon, dass zB unser Sehsinn nur einen kleinen Teil dessen, was in der Realität abläuft, "sehen" kann, wird dieses auch noch durch unser Vorwissen und unsere Einstellungen gefiltert.

Was letztendlich unsere Erinnerung ausmacht, ist ein Sammelsurium aus Erlebtem plus unserer Meinung dazu.

Jedesmal, wenn wir dann einen Gedächtnisinhalt aufrufen, bewerten wir ihn erneut - emotional als auch intellektuell. Wenn wir ihn wieder abspeichern, dann mit all den neuen Erkenntnissen, usw. Kurzum, was Du nach Jahren aus Deinem Gedächtnis hervor kramst, hat in den meisten Fällen nur mehr recht wenig mit dem tatsächlichen Ereignis zu tun.

Das Gesagte lässt sich locker überprüfen: ist Dir noch nie aufgefallen, dass Menschen, die alle am selben Ereignis teilnahmen, trotzdem nicht dieselben, vor allem Detail-, Erinnerungen davon haben? Von ihren Gefühlen mal ganz zu schweigen.

Zitat:
Beim Erinnerungsvermögen kommt es immer auf die Intensität der Erlebnisse an
Nein, es gibt noch viele andere Faktoren. Häufigkeiten, Wiederholungen, Gefühlen, Konzentration, selektive oder/und verzerrte Wahrnehmung, Alter, Gedächtnisleistung an sich. Ebenso können Erzählungen anderer die eigene Erinnerung enorm beeinflussen. Aus diesem Grunde sollten sich ja Zeugen vor Gericht nicht vor der Verhandlung miteinander unterhalten dürfen oder gleichzeitig befragt werden.

Zitat:
Ich kann mich an starke Erlebnisse meiner Kindheit
Klar, genauso fühlt es sich für den Erinnernden subjektiv auch immer an. Eine objektive Beweisführung ist das aber nicht. Und wie gesagt, in der Tat haben ja verschiedene Leute unterschiedliche Erinnerungen an dieselben Geschehnisse. Und objektive Prüfverfahren ergeben in der Regel sogar noch mal ein anderes Bild.

Allein die Fragestellung kann darüber entscheiden, an wie viel und an was genau sich jemand erinnert. Im Extremfall geht das so weit, dass man Menschen, und sie sich selbst, Erinnerungen an Geschehnisse einreden kann, die sie nie hatten.
Wie viele Zeugen haben sich schon vor Gericht geirrt? Und Leute identifiziert, die es nie gewesen sind?


Und ohne Gedächtnisprobleme aller Art könnten wir ja auch das Spiel Stille Post gar nicht spielen, nicht wahr?
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"Motorboat! Motorboat! Ruadan tua i nur zur Noat!"
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