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Alt 09.06.2018, 01:57
Wisdomy Wisdomy ist offline
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Zuvorderst:

1. Sorry das ich erst jetzt antworte, ich konnte ja nicht ahnen, das du schreibst.
2. Sorry für den langen Text. Aber glaube mir: Ich habe mich kurz gefasst =))


Zitat:
Zitat von sapperlot Beitrag anzeigen
lieber @wisdomy, ich erlaube mir eine replik zu diesem schnipsel aus deinem text.
mir ist deine haltung zu ausschließlich. das von dir antizipierte verbot einer "ferndiagnose" ist ein gebot der amerikanischen psychiatervereinigung (apa), der sog. "goldwater standard". dieser ist ein resultat einer presseveröffentlichen vernichtungskampange vermittels einer pathologisierung psychisch-defekter natur des gleichnamigen präsidantschaftskandidaten 1964. die apa wollte damit ihren mitgliedern einhalt gebieten.
Richtigerweise, wie ich finde. Ich bezog mich darauf aber nicht. Mein " [....] darf nicht...[...] " war ein moralisches, ethisches, selbst auferlegtes, wenn du willst dem Über-Ich untergeordnetes "Verbot" im übertragenem Sinn, ohne das es juristisch, oder berufs-ethisch festgeschrieben wäre. Ich habe mich da missverständlich ausgedrückt. Da hast du Recht, sorry.

Zitat:
Zitat von sapperlot Beitrag anzeigen
"ferndiagnosen" sind bspw. für biografen kein tabu. so wird bei wolfgang amadeus mozart oder auch bei albert einstein unverhohlen ein ads vermutet. weiterhin bspw. wird rezent bei donald trump eine narzisstische persönlichkeitsstörung konstatiert. dies sogar in den reihen der apa-mitglieder, freilich nicht ohne diskussion einer ethischen legitimität.
In der Tat. Wobei ich da unterscheiden würde, zwischen einer "Diagnose" die per Auftrag - vom wem auch immer - erteilt wird, ohne das sie sich von sich aus aus dem Verhalten einer Person aufdrängen würde, oder - im Falle Donald Trumps - eine so offensichtliche, deutliche Persönlichkeitsstörung im Verhalten der Person zeigt, das sie nach einer Einordnung im Sinne des amerikanischem DSM 5 der American Psychiatric Association oder dem internationalen ICD 10 durch einen Experten schreit.

Der erste angenommene Fall - in den fällt m.E. auch Elvis ,- macht mich regelmäßig skeptisch, handelt es sich hier doch meist um von vornherein subjektive Auftragsferndiagnosen oder Gutachten. Sicher, die mögen bisweilen interessant sein, die kann man auch machen, die kann man auch lesen - aber verbrieft ernst zu nehmen sind sie nicht. Gerade im Falle Elvis Presley.
Meiner Meinung nach zeigte Elvis NIE, und deswegen ärgert mich das gerade bei Elvis so, in seinem ganzen öffentlichen Leben, irgendwelche psychischen Auffälligkeiten, die auch nur andeutungsweise auf endogene psychiatrische Probleme schließen lassen. Während seiner ganzen Karriere fiel Elvis kein einziges mal in diese Richtung auf. Zwar ließ seine Verfassung auf der Bühne gegen Ende seiner Karriere ein Drogen ,- oder Medikamentenproblem vermuten, DA traten dann auch emotionale Auffälligkeiten auf, daraus aber zu schlußfolgern, dass er an einer - wie auch immer gearteten - Persönlichkeitsstörung leiden könnte, oder gar Ursachen dafür abzuleiten, ist unseriös, zumal diese Kausalität ja ferner liegt als die Annahme, das sein Verhalten drogeninduziert sei. Selbst dann, wenn der Arzt oder Psychologe immer wieder betont, das es nur eine Ferndiagnose ist.
Je nachdem, wer das ist, oder in welchem gesellschaftlichen Kontext die "Diagnose" gestellt wird, oder um wen es geht, kann es den unfreiwilligen Klienten auf Dauer den Ruf ruinieren - und das vielleicht völlig zu unrecht.

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Im Falle Donald Trumps ist das nach meiner Einschätzung etwas anderes. Erstens lebt er nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern für 326 Millionen Amerikaner, und indirekt für den Rest der Welt. Da besteht also ein öffentliches Interesse an seiner psychischen Gesundheit.

Zweitens sind seine Verhaltensauffälligkeiten so offensichtlich, das sie - gerade mit Bezug auf Punkt 1 - nach diagnostischer Einordnung geradezu verlangen.

Unverständlich ist mir hier allerdings die immer wieder kolportierte Einordnung in eine narzisstische Persönlichkeitsstörung nach F 60.8, legen wir die ICD 10 zugrunde.
Zwar negiert er es gern bewusst, aber er ist durchaus zu emotionaler Wärme anderen Menschen gegenüber fähig, zweimal besonders aufgefallen ist mir das, als er immer wieder den Tod von Kindern kommentierte bei den Bombenangriffen in Syrien. Zwar sind das nur Worte, die auch Kalkül sein können, aber die Begrifflichkeiten die er benutzt, kennt ein Narzisst meistens nicht einmal.
Vorteilhaft wäre in diesem Fall aber, das narzisstische Persönlichkeitsstörungen gut auf kognitive Verhaltenstherapien ansprechen.

Mir scheint hier doch eher die paranoide Persönlichkeitsstörung, acht Kategorien höher, passend: Er reagiert empfindlich auf Zurückweisung, ist übertrieben selbstbezogen, hat ein überhöhtes Selbstwertgefühl, er ist streitsüchtig, er verdreht Erlebtes häufig, und völlig normale Verhaltensweisen Anderer empfindet er als feindlich und vor allem er macht sie gern verächtlich.
Was hier aber so gar nicht passt, ist, das Paranoide Menschen Kränkungen häufig ewig nachtragen. Nachtragend ist er nun so gar nicht, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Er ist ja nichtmal sich selbst gegenüber nachtragend =)

Aber man muss da sooooooo vorsichtig sein. Niemand weiß, was tatsächlich in einem Menschen vorgeht, und Personen, die professionell seit Jahren in der Öffentlchkeit stehen, können das perfekt verstecken. Und deshalb habe ich solche Bauschmerzen mit Ferndiagnosen.
Trump, das hat er mit Elvis gemein, spielt eine perfekte Rolle in der Öffentlichkeit. Elvis' psychische Gesundheit zumindest was seine Persönlichkeitsstrktur angeht zeigt sich in seiner ausgesprochenen Reflektionsfähigkeit. Die er auch mal zu Protokoll gegeben hat: "The Image is one thing, and the human being is another. its very hard to live up to an image". Mit Tränen in den Augen muss man da sagen: Chapeau !!!

Ein psychisch kranker Mensch ist in den allermeisten Fällen nicht mehr zu einer Selbstreflexion fähig.

Zitat:
Zitat von sapperlot Beitrag anzeigen
der ärztetag hierzulande hat jüngst die telematik, auch ohne den patienten je gesehen zu haben, zugelassen. ja, dabei ist es wenigstens noch eine virtuell-analoge situation und das geschehen findet nicht öffentlich -die kommerziellen späher ausgelassen- statt. aber immerhin. ein physikalisches vis-a-vis ist nicht mehr erforderlich.
Wenn ich da richtig informiert bin, doch zurzeit aber noch versuchsweise bei ausgewählten Ärzten in einer kontrollierten Kleinstudie? Oder ist das jetzt generell zugelassen, und von den Kassen - im Einzelfall? - getragen?
Generell finde ich das.......naja..... Ich sag mal so: Besser als gar keine Therapie. Stichwort: niederschwelliges Angebot. Sicher, es ist eine private 1:1 Situation, aber wer jemals Camchat mit anderen Personen gemacht hat, die er auch tatsächlich real kennt, wird mir zustimmen, das über einen Camchat doch erhebliche Feinheiten in Mimik, Gestik, vor allem aber in der nonverbalen Kommunikation, verloren gehen. Das fängt schon damit an, dass der Klient, der mir gegenüber sitzt, in seiner Körperhaltung unbewusst zu verstehen gibt, wie er sich gerade zur Therapiesituation verhält. Dies läuft völlig unbewusst ab und ist nicht manipulierbar, wenn man darauf geschult ist, erkennt man diese Signale. In einem Videochat wird das mindestens zur Hälfte verschluckt und landet auf Nimmerwiedersehen im Internet-Nirvana.

Zitat:
Zitat von sapperlot Beitrag anzeigen
warum ist die blinde ferndiagnose bei klinisch psychischer auffälligkeit einerseits verpönt?
weil psychisch abnorme varianten immer noch als ein besonderer, ein zu tabuisierender makel angesehen werden. natürlich auch, weil damit ungeheurer schindluder betrieben werden kann (siehe mr. goldwater, obschon er politisch-ethisch grenzwertige ansichten vertrat, die andererseits dann von lyndon b. johnson teilweise aufgenommen und realisiert wurden).
Absolut konform. Ergänzend vielleicht noch: Weil sie nicht ernst genommen werden als ernsthafte Erkrankung. Sie sind oft eben körperlich nicht nachweisbar. Andere Symptome sind mehr als deutlich, werden aber eben nur somatisch behandelt: Allen voran die Schlafstörungen, aber auch Blutdruck,- Herzrhythmus, Magen/Darmbeschwerden und - fast nie auf dem Schirm der Ärzte - wiederkehrende Infekte. Das Stress das Immunsystem schwächt, hat sich ja mittlerweile herum gesprochen. Interessant ist aber, WIE sich die Psyche häufig meldet: Wir hatten im Fachbereich Entwicklungspsychologie den Fall einer 16 jährigen Gymnasiastin, die jedesmal bei wichtigen Prüfungen einen schweren grippalen Infekt erlitt. Jedesmal wurde dieser behandelt, jedesmal holte sie die Prüfungen nach, jedesmal wurde der Zusammenhang nicht erkannt. Vor der nächsten Prüfung das gleiche Spiel. Einem Arzt, demgegenüber das zufällig erwähnt wurde, fiel der ZH auf, empfahl eine Sitzung bei einem psychologischem Psychotherapeuten. Nach 6 Monaten kristallisierte sich heraus: Das Mädchen hatte nie aufs Gymnasium gehen wollen, erfüllte die Rolle, die ihr ihre Eltern zuwiesen, und fühlte sich ständig überfordert. Ihre Psyche reagierte darauf mit einem NOT-AUS, jedesmal, wenn es "drauf ankam". Das Mädchen selbst hat das nicht erkannt, hat sich das selbst nie eingestanden. Sie fühlte sich immer leistungsfähig, überhnahm unbewusst die Rolle, die ihr ihre Eltern zuschrieben, sie war immer bemüht, die Erwartungen, die an sie gerichtet waren, zu erfüllen. Was ich sagen will: Psychische Probleme äußern sich nicht selten DOCH körperlich, das Unterbewusste sucht immer einen Weg der Kommunikation mit dem Bewussten. Und das zu erkennen ist Aufgabe einer Profession, häufig abwertend als "Seelenklempner" tituliert.

Zitat:
Zitat von sapperlot Beitrag anzeigen
ergo: es kommt auf die seriosität an. bspw. darauf, dass "ferndiagnosen" immer als solche auch in ihrer fragwürdigkeit ausgeweisen werden. darauf, dass sie begründet werden.
Ganz genau. Das geschieht aber häufig nicht. Im Falle von Elvis kommt dazu, das bei der Berühmtheit der Person Elvis Presley jede dieser Ferndiagnosen nach dem Wunsch den eigenen Bekanntheitsgrad, oder so sich selbst auf Kosten von Elvis fachlich zu profilieren, riecht.

Zitat:
Zitat von sapperlot Beitrag anzeigen
zur verständlichmachung des handelns und wirkens einer person, denke ich, taugt die ferne einschätzung der psychischen struktur dieser person durchaus. darin, ihrem leben(swerk) näher zu kommen. dieser aspekt kann durchaus hermeneutisch präventiv wirken, wenn es sich um personen mit multikator-effekt handelt.
WENN das auch so gesagt wird. Von Vornherein. Dann ja.
Wobei sich das bei Elvis insofern ohnehin entschärft, da er nicht mehr unter den Lebenden weilt, und seine Persönlichkeitsrechte faktisch nicht mehr berührt sind.

Zitat:
Zitat von sapperlot Beitrag anzeigen
speziell finde ich die ferndiagnosen zu den celebrities von herrn bandelow dürftig und unzulänglich. ich kenne allgemein seine art der wissenschaftlichkeit und mir graust um sie. er wagt sich, kursiv zu sein, wo die einfühlung in die individualität eines menschen (empathie) von nöten wäre. dies losgelöst von elvis presley.
Dieser Name wiederum sagt mir nur am Rande etwas. Studienleiter neurowissenschaftlicher Angstforschungen ... da ist mir was in Erinnerung. ??? Ich google mal.
Kennst du ihn persönlich?

Zitat:
Zitat von sapperlot Beitrag anzeigen
dessen ungeachtet, was aber wäre, lieber @wisdomy, wenn ein psychogramm unseres musikalischen lieblings dir gefallen würde?
Nun ja, du wirst mich sicherlich wahlweise auslachen oder verdammen: Das genaueste Psychogramm von ELvis liefert für mich Albert Goldman.
"Die letzten 24 Stunden" hat mich, als ich es zum ersten Mal las, schockiert. Aber auch die Augen geöffnet. Und ob du es glaubst oder nicht:
Seither ist mir Elvis in seiner ganzen Unvollkommenheit und Verletzlichkeit so sympathisch wie nie zuvor.
Und anders, als die meisten Goldmans Bücher über Elvis beurteilen, finde ich, das er bei aller Kritik etwas so deutlich werden läßt, wie niemand sonst: Elvis' einmaliges Talent.
Albert Goldman hat meine Liebe und meinen tiefen Respekt zum Lebenswerk von Elvis Presley in seiner Dimension erst ermöglicht, von einer pubertär verklärenden rosa-rote-Brille und "ich-muss-alles-haben" Sicht auf eine erwachsene, sachliche, objektive, ehrliche Betrachtungsweise herunter geholt. So glaube ich jedenfalls.

Geändert von Wisdomy (09.06.2018 um 02:17 Uhr)