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Alt 26.01.2018, 13:02
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Ein Bild sagt mehr als tausend Worte



Elvis wollte schon seit längerer Zeit ein professionelles Foto von mir haben. Einige Tage nach meiner Abreise aus Memphis hatte ich einen Termin bei einem Fotografen.
"Das Foto muss etwas ganz besonderes werden. Ich möchte es meinem Freund schicken", informierte ich den Fotografen, während er die Beleuchtung einrichtete.
"Zufällig weiß ich wer es ist, June", antwortete er und betrachtete mein Gesicht aus jedem Blickwinkel.
Es schien, als wenn jeder in Biloxi wusste, wer mein Freund war, ausgenommen die Verstorbenen und die Analphabeten.
"Welche Art Foto hast du dir vorgestellt, June? Ernst oder mit einem Lächeln?"
"Nackt!" antwortete ich und lachte, "Es war nur Spaß. Welche Möglichkeiten gibt es noch?"
"Nun, ich habe niemals jemanden fotografiert, der weint", neckte er mich.
"Warum nicht? Das könnte interessant sein."
Er machte zunächst einige ernsthafte Aufnahmen von mir. Dann verließ er den Raum und kehrte mit zwei großen schwarzen Tüchern zurück. Eines legte er um meine Schultern, befestigte es mit einer Sicherheitsnadel und das zweite legte er über meinen Kopf. Abgesehen von einigen Haarsträhnen in meiner Stirn, sah ich aus wie eine Nonne.
"Fast perfekt!" verkündete er und ging nochmals hinaus. Er kam mit einem Töpfchen Vaseline zurück.
"Wir brauchen ein wenig Glanz", sagte er und tupfte mir etwas Vaseline auf die Wangenknochen, die Nase und das Kinn.
"Okay June, glaubst du, du kannst mir ein paar Tränen zeigen?" Ich schaute direkt, ohne zu zwinkern, in die Scheinwerfer - und die Tränen kamen.
"Großartig! Großartig! Nicht aufhören! Ich würde gerne eine Träne auf deiner Wange erwischen."
Er drückte, so schnell es ging, den Auslöser. Wir hatten nur ein kleines Problem: mit den Tränen begann meine Nase zu laufen. Ich schnüffelte zwischen den Aufnahmen, und er reichte mir ein Tempotaschentuch. Unnötig zu erwähnen, dass ich nach absolutem Liebeskummer aussah, als ich das Studio verließ.
Ich kam gerade rechtzeitig zu Hause an, um einen Anruf von Elvis entgegen zu nehmen. Ich schniefte noch immer und er machte sich Sorgen, dass ich mich erkältet haben könnte. Ich erzählte ihm nichts von der Fotosession, stattdessen berichtete ich ihm, dass meine Mutter mit einer großen Überraschung nach Hause gekommen war: mit unserem ersten Fernseher. Sie wollte ihn eigentlich erst zu Weihnachten kaufen, aber als sie gehört hatte, dass Elvis in der Ed Sullivan Show sein würde, hatte sie die Anschaffung vorgezogen. Es war ein kleines schwarz-weißes Gerät - aber er gehörte uns.
"Gute Neuigkeiten, Baby. Das heißt, du hast die Show sehen können? War ich gut?" fragte er ohne ein Ja oder Nein abzuwarten.
"Du warst wundervoll! Du warst nur nicht lange genug zu sehen," erklärte ich.
"Habe ich nervös gewirkt? Wenn du da gewesen wärst, hättest du meine Hand halten können."
"Als die Show lief, habe ich mir die ganze Zeit gewünscht, ich wäre bei dir gewesen", gab ich zu.
"Yeah gut, wünschte, du hättest es nicht abgelehnt, Baby. Ich wünschte, du hättest nicht so schnell Nein gesagt. Sei ruhig, Nick! Ich versuche zu telefonieren, wenn es dir nichts ausmacht!" schrie Elvis.
Ich konnte Nick deutlich im Hintergrund hören, wie er Mr. Magoo imitierte.
"Du hattest deine Chance, Baby. Du hast sie sausen lassen! Du hast sie sausen lassen!" sagte Mr. Magoo laut genug, so dass ich ihn hören konnte.
"Bist du zurück in Memphis, Elvis? Ist Nick Adams noch immer bei dir? Falls ja, würdest du ihm sagen, dass er mich am A...lecken kann, bitte?"
"Verdammt Nick! Halt deine dumme Schnauze! Du hättest mit mir dort sein können, June", in seiner Stimme lag Ärger.
"Was kann ich noch sagen? Es tut mir leid; ich war nicht bei dir."
"Naja, vielleicht war es auch besser so. Der Colonel hat es mir schwer gemacht. Er hat herausgefunden, dass du in Memphis warst. Wir müssen uns für eine Zeit ruhig verhalten, Baby. Es tut mir leid."
Jedesmal, wenn ich den Namen 'Colonel' hörte, schoss mir das Blut in den Kopf. Ich hielt den Hörer, aber sagte kein Wort.
"Ich habe zu tun was ich zu tun habe, Baby. Entschuldigung. Ich wünschte, du wärst geblieben. Natalie kommt heute Abend."
"Wie du schon sagst, Elvis - wahrscheinlich ist es besser so."
"Ich melde mich bei dir, June. Denk dran, ich liebe dich, Baby."
"Ich liebe dich auch, Elvis. Grüß Natalie von mir." Ich legte auf ohne das Freizeichen abzuwarten. Ich hatte das Gefühl, mit zwei verschiedenen Personen gesprochen zu haben. Ich war wütend.
Der 'Memphis Commercial Appeal' berichtete, dass Elvis seinen beiden Gästen Motorräder gekauft hatte um Ausflüge damit machen zu können.
"Großartige Sache", dachte ich sauer.
Elvis rief an dem Tag an, an dem seine Gäste abreisten, um mir zu sagen, dass er mich liebe. Ich fühlte mich wieder sicher. Wir quatschten über mehrere Stunden ohne ein spezielles Thema zu haben. Die meiste Zeit über versuchte er mich davon zu überzeugen, dass er keine Wahl habe, sondern tun müsse, was der Colonel von ihm verlange. Seine Offenheit und Aufrichtigkeit reichte aus um mich zu beruhigen. Zumindest vorerst.
Bald erreichte mich der Anruf des Fotografen, dass die Bilder fertig seien. Als ich das Studio betrat, schnappte ich nach Luft. An der Wand hinter der Empfangstheke hing mein gerahmtes Foto in einer Größe von 45 x 60cm.
"Ich wollte einen 20 x 25 cm- Abzug. Ich kann mir diese Größe nicht leisten!" sagte ich panisch, weil ich dachte, es habe ein Missverständnis gegeben.
"Dieses ist für mich, June. Ich habe mir die Freiheit genommen, um dich zu überraschen. Wie findest du es?" fragte er ersichtlich stolz auf sein Werk.
"Es ist schön, sehr schön", ich war noch immer schockiert über die Größe.
Er wollte das Foto bei einem anstehenden Fotografen-Wettbewerb vorstellen, und mir die Kopien kostenlos überlassen. Er gewann nicht das "Blaue Band" , worauf er gehofft hatte; dafür aber das "Rote Band" für den zweiten Platz. Nach Meinung der Juroren, hätte mein Hals mehr beleuchtet werden müssen, um ein Gleichgewicht herzustellen.
"Pingelig - sehr pingelig", sagte ich als er mir die Enttäuschung mitteilte.
Ich lief die zwei Meilen zur Post um Elvis mein Foto zu schicken. Ich sang ein Lied im Rhythmus meiner Schritte. In glücklicher Stimmung rief ich später bei Elvis an, aber er war nicht zu Hause. Er war in Las Vegas, und Lovie wusste nicht, wann er zurück käme. Ich unterhielt mich lange mit ihr am Telefon.
"Ich wünschte, du wärest bei ihm, June. Ich mache mir Sorgen. Er hat immer noch Kontakt zu diesem kleinen, verschlagenen Nick Adams."
"Elvis ist ein großer Junge, Lovie. Ich bin sicher, dass er okay ist, und bald zu Hause sein wird", sagte ich beruhigend.
"Sobald er durch die Tür kommt sage ich ihm , dass er dich anrufen soll, kleine Satnin. Ich liebe dich. Pass auf dich auf."

Zwei Wochen vergingen, dann eine weitere. Sicherlich würde er an meinem Geburtstag anrufen, dachte ich - aber er tat es nicht. In der ersten Dezember-Woche las ich im Commercial Appeal, dass ein Showgirl aus Las Vegas bei Elvis zu Besuch sei.
"Ist das auch aus Publicity-Gründen, du untreuer Bastard?" dachte ich bei mir. "Ha!"
Ich rief Pat an um zu fragen, ob sie von den Neuigkeiten gehört hatte.
"Ja, habe ich. Es tut mir leid, June. Ich hätte dir nicht davon erzählt. Du kennst meine Einstellung: was du nicht weißt, kann dich nicht verletzen. Vielleicht ist das alles sowieso nur aus Publicity-Gründen. Das Mädchen ist noch nicht einmal hübsch", antwortete sie, und ergriff gleichzeitig Partei für mich und Elvis.
"Ich finde sie auch nicht hübsch, aber sie ist ein Showgirl. Wahrscheinlich hat sie lange Beine, und du weißt, wie sehr er auf Beine steht", sagte ich genervt und sauer.
"Yeah, aber June, wahrscheinlich hat er sie eingeladen als sie ihr Bühnen-Make-up trug. Kannst du ihn dir vorstellen, als er sie ohne Make-up gesehen hat? Ha!"
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