Elvis-Forum

Elvis-Forum (https://www.elvisnachrichten.de/index.php)
-   Elvis Presley (https://www.elvisnachrichten.de/forumdisplay.php?f=2)
-   -   Bericht: Sams verlorener »Crooner« (https://www.elvisnachrichten.de/showthread.php?t=27051)

Winston 23.11.2013 09:44

Sams verlorener »Crooner«
 
»Ich höre lieber andere Sänger Balladen singen. Ich kann nicht wie Pat Boone singen. «
[Elvis, März 1956]

Über die geniale Zusammenarbeit von Elvis und seinem Produzenten Sam Phillips habe ich die letzte Zeit beim Lauschen der fantastischen Box A Boy From Tupelo erneut nachgedacht. Ich werfe dem guten Sam immer noch eine für mich bittere Entscheidung vor.

Elvis kam voller Eifer ins Studio und hatte seine derzeitigen Favoriten von den Ink Spots, Dean Martin und anderen im Gepäck. Aber Elvis musste schnell erkennen, das Sam andere Vorstellungen hatte als er selbst. Sam wollte was Neues und keinen weiteren »Crooner«. Ich halte dies für einen Fehler. Elvis wollte niemals »König des Rock’n‘Roll« sein. Sein Wunsch lag im Singen von Balladen, die er Sam dann auch voller Eifer präsentierte. Das war aber nicht in Sams Sinn und er konnte es nach eigener Aussage nicht über das Herz bringen, Elvis von dieser »Zeitverschwendung« im Studio abzuhalten. So schaltete er immerhin einige Male die Bandmaschine an. Der Geschäftssinn übernahm das Ruder und Elvis nahm etwas »Neues« auf, für das der Zuhörer und Käufer zahlen würde. Das bringt Elvis und Sam Geld!

Kein Zweifel, diese neue Musik brachte Elvis in die Charts. Allerdings denke ich immer an die vielen frühen Interviews. Er bezeichnet I Was The One und Don’t als seine eigenen Favoriten. Er erklärt sogar, dass er Rock’n’Roll solange singen wird, wie das Publikum seine Platten kauft. Kleine Stiche bekomme ich dann in mein Herz, wenn ich höre, wie er Dean Martin oder Mario Lanza überschwänglich lobt. Sie waren für ihn einfach großartig. Das klingt in meinen Ohren nicht nach einem überzeugten Rock-Musiker, sondern nach jemanden der weiß, dass er etwas besser kann und damit Geld zu verdienen ist. Warum die Zeit des Rock’n’Roll nicht nutzen und sich und seiner Familie die lange gehegten Wünsche erfüllen.

1972 erzählt Elvis den Reportern vor seinem grandiosen Auftritt im Madison Square Garden, dass It’s Now Or Never sein eigener Favorit ist. In späteren Jahren sind großangelegte Balladen wie Hurt oder Unchained Melody die Songs, die er liebt. Elvis hatte das große Talent die Cover-Versionen anderer Künstler wie seine eigenen Lieder klingen zu lassen. Mit wenigen Ausnahmen versuchte er sich nie an den Liedern von Frank Sinatra oder Dean Martin. Zu groß war sein Respekt und zu klein das Selbstvertrauen als Balladen-Sänger und die Einschätzung seiner eigenen Stimme.

Ich kann nicht beurteilen, wie tief der Stachel gesessen hat, den Sam verursacht hat, als keine seiner Balladen als gut genug zur Veröffentlichung angesehen wurde. Nicht einmal das wunderbare Blue Moon schaffte es auf eine B-Seite bei SUN-Records. Geschweige den das ebenso schöne Tomorrow Night. Aber eines weiß ich. Es gibt so viele private Aufnahmen, die bei Elvis zuhause entstanden und wir hören durchweg Balladen und Gospels. Das ist die Musik, die er sang, wenn er für sich war und die Musik, die er mochte. Hier sind einige meiner Lieblings-Balladen:

Blue Moon – Ich sehe immer einen unendliche Highway vor mir, wenn ich dieses geisterhaft anmutende, wunderschöne Frühwerk höre. Die tiefe Suche nach erlösender Liebe.

I Need Somebody To Lean On – Eine beim ersten Hören ungewöhnliche aber dann fantastische Ballade mit einer zärtlichen Mitternachtsmelodie. Eine Arbeit voller Genialität und vollkommen unterschätzt.

I’ll Hold You In My Heart –Elvis kann dieses Meisterstück einfach nicht beenden. Man sinkt immer tiefer in seinen heiseren Vortrag. Er verliert sich total in seinem Misstrauen, ob seine Geliebte wirklich auf ihn wartet. Das Stück ist einfach fantastisch!

The Wonder Of You – Schon 1967 wollte Elvis den Hit für Ray Peterson aufnehmen. Leider wurde dieser Plan fallengelassen. Aber er präsentierte dieses wunderschöne Stück voller Überzeugung und Selbstvertrauen live in Las Vegas drei Jahre später. Spätestens beim Solo von James Burton laufen die Schauer über meinen Rücken. Wundervoll!

Where Did They Go Lord – Elvis verausgabt sich vollkommen bei dieser saustarken Ballade von Dallas Frazier. Ich kann die Passage, dass er nicht verbittert ist, sondern ein leeres Herz hat, immer und immer wieder hören.

There’s A Honky Tonk Angel – Dies ist ein so großartige und gelungener Cover-Song von dem Hit von Conway Twitty, dass einem Tränen kommen. Vielleicht hat er dieses Lied nur aufgenommen, weil sein Vater ihm davon erzählt hat. Köstlich sein Kommentar vor einem Versuch: »Ich werde noch verrückt…«! Genau das passiert und es hört sich wunderbar an.

King77 23.11.2013 12:23

Tut mir leid aber bei vielem was du da geschrieben hast kann ich nicht zustimmen. Elvis liebte Baladen aber er liebte genau so R+R auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen. Seine Favoriten waren auch Little Richard u. Fats Domino, Clyde McPhatter usw. Auch dass Elvis kaum Songs von Frank Sinatra sang ergibt sich aus der Tatsache Franks Songs waren alle auf große Big Bands ausgelegt also gar nicht Elvis Baustelle mit seiner kleinen Band damals. Songs von Dean Martin zu singen hätte er aber sicher keine Schwierigkeiten gehabt. Es gibt ja genug Titel die beide gesungen haben.

Hound_Dog 23.11.2013 12:40

Die Info mit The Wonder Of You ist mir neu das er es schon früher aufnehmen wollte.

King77 23.11.2013 13:00

Doch er wollte es im Aug. 67 aufnehmen, aber aus dieser Session wurde nichts. Ob er es tatsächlich aufgenommen hätte ist natürlich reine Spekulation. Wenn er wirklich so geil gewesen wäre auf den Titel dann hätte man den Song auch bei der nächsten Session im Sept. 67 aufnehmen können. Wie auch andere geplante Songs vom Aug. 67 die dann im Sept. 67 verwirklicht wurden.

Dark Moon 23.11.2013 13:13

Zitat:

Zitat von King77 (Beitrag 920261)
Doch er wollte es im Aug. 67 ...

@King77,woher weiß man das?

King77 23.11.2013 13:23

Aus den Session Unterlagen. Bienstock versuchte damals mit den diversen Musikverlagen Deals auszuhandeln. Darum weiß man welche Songs in der engeren Wahl standen. Nachzulesen im Buch A Life In Music von Ernst.

Dark Moon 23.11.2013 13:27

Danke Dir, schau ich später direkt mal nach! :top:

charro 23.11.2013 15:19

Zitat:

Zitat von Winston (Beitrag 920240)
Elvis kam voller Eifer ins Studio und hatte seine derzeitigen Favoriten von den Ink Spots, Dean Martin und anderen im Gepäck. Aber Elvis musste schnell erkennen.....

Also da muss ich king77 beipflichten und kann dem Ausgangsposting im großen und ganzen gar nicht zustimmen.

Der Grund warum Elvis sich anfangs bei Phillps mit Balladen vorstellte, dürfte zu weiten Teilen rein pragmatisch gewesen sein: wenn ich mit meiner Stimme überzeugen will, schreie ich kaum wilden Hillbilly ins Mikro, sondern phrasiere eher die Melodie einer Ballade.

Das er auch später eher Balladen hervorhob, dürfte ähnliche Gründe haben, denn hier konnte er regelmäßig zeigen, dass er auch tatsächlich "singen" konnte. Das heisst allerdings im Umkehrschluss kaum, dass Elvis seine Rock-Nummern nur dem schnöden Mammon und den Fans zu Liebe aufgenommen hat. Wenn da irgendein Stachel gesehen wird, der durch Sam Phillps Vorgehenswiese tief sitzen sollte, dann wird da glaube ich deutlich mehr in den armen missverstandenen Elvis hinein interpretiert, als tatsächlich nachvollziehbar ist.

:-)

Winston 23.11.2013 16:03

Das wird hoffentlich ein interessanter Thread, da ich es ja ganz bewusst wage das "Heiligtum" Sam Phillips mit etwas Kritik zu belegen. Im FECC-Forum ist eine geniales Posting eines Users, der von folgender These ausgeht:

Elvis hatte ein schon öfters privat einstudiertes That's All Right im Kopf. Er sang aber aus vielleicht oben schon angeschnittenen Theorien Balladen, da dies mehr Stimme bedeutet.

Als dies nicht funktioniert, kommt er in Panik und stimmt sein in der Hinterhand gehaltenes That's All Right an. Also nicht spontan, sondern bewusst als letzter Anker.

Der Kern für mich ist aber, warum hat Sam die Balladen durchweg im Archiv gelassen?

charro 23.11.2013 16:13

Zitat:

Zitat von Winston (Beitrag 920295)
Der Kern für mich ist aber, warum hat Sam die Balladen durchweg im Archiv gelassen?

Die Antwort hast Du Dir doch schon selbst gegeben: es war nichts Neues, nichts zwingendes was sich verkauft wie Hulle. Warum hätte er die Dinger veröffentlichen sollen, wenn That's All Right, Good Rocking Tonight, Mystery Train & Co den Nerv der Zeit viel eher trafen? :noidea:

:-)

Winston 23.11.2013 16:36

Da gebe ich dir vollkommen Recht. Aber als B-Seite hätte es doch immerhin gepasst. Warum nicht That's All Right und Blue Moon Of Kentucky jeweils als A-Seite?

TheKing 23.11.2013 16:39

Es ist doch völlig normal und legitim wenn ein so junger Mann auf einen erfahreneren Profi trifft, dass er sich da auch etwas führen lassen muss und dazulernt. Sam sah die Situation auf dem Musikmarkt und lenkte Elvis meinetwegen auch etwas in diese aus seiner Sicht richtige Position. Das ist doch völlig okay. Wenn Elvis sich von Anfang an gesperrt hätte von Profis Dinge über das Showbusiness zu lernen, wäre er niemals so ein Meister des Entertainment geworden. Die Frage "Wieviel Rock'n Roll (den es ja namentlich so noch nicht gab) war in Elvis bevor er auf Sam traf ?" ist jedoch interessant. Selbst wenn Sam diese Musik für Elvis erst eröffnet haben sollte, ist es doch wundervoll was der Junge dann in diesem Bereich geleistet hat. Ein Glücksfall der Musikgeschichte!

charro 23.11.2013 16:42

Zitat:

Zitat von Winston (Beitrag 920304)
Aber als B-Seite hätte es doch immerhin gepasst. Warum nicht That's All Right und Blue Moon Of Kentucky jeweils als A-Seite?

Weil es vermutlich wichtig war, gerade die erste Single mit 2 durchschlagenden Songs auf den Markt zu werfen. Wozu eine B-Seite mit Blue Moon oder Harbour Lights, die es damals in den 40er / 50ern in tausenden anderen Fassungen schon gab?!

Und wenn Du Dich auf die Folgesingles beziehen möchtest: weil die dort gewählten A- und B-Seiten einfach die besseren Songs waren, als die verbliebenen Alternativen wie I Love You Because, Tomorrow Night & Co. So einfach is das manchmal....

:-)

Winston 23.11.2013 16:47

Zitat:

Zitat von TheKing (Beitrag 920309)
Es ist doch völlig normal und legitim wenn ein so junger Mann auf einen erfahreneren Profi trifft, dass er sich da auch etwas führen lassen muss und dazulernt. Sam sah die Situation auf dem Musikmarkt und lenkte Elvis meinetwegen auch etwas in diese aus seiner Sicht richtige Position. Das ist doch völlig okay. Wenn Elvis sich von Anfang an gesperrt hätte von Profis Dinge über das Showbusiness zu lernen, wäre niemals so ein Meister des Entertainmentgeworden. Die Frage "Wieviel Rock'n Roll (den es ja namentlich so noch nicht gab) war in Elvis bevor er auf Sam traf ?" ist jedoch interessant. Selbst wenn Sam diese Musik für Elvis erst eröffnet haben sollte, ist es doch wundervoll was der Junge dann in diesem Bereich geleistet hat. Ein Glücksfall der Musikgeschichte!

Danke, damit hat du genau das getroffen, was mein Posting bezwecken sollte. Elvis wurde bestimmt in eine Richtung geführt, von Sam, von Chips und natürlich von Tom.

Was ist aber nun Elvis selbst? Ernsthaft diskutiert!

TheKing 23.11.2013 17:06

Das kann man ja schwer sagen. Wo nahm Elvis ein Konzept an und an welcher Stelle war näher an seinem ureigenen Kern? Also ich kann dazu nur zwei Dinge beitragen. Steve Binder hat Elvis in der Sitdownshow des NBC Special so inzeniert, weil er gehört hatte wie Elvis mit den Jungs abgejamed hatte und diese Energie wollte er einfangen. Ich glaube das. Also sehen wir in der Sitdownshow viel von dem Elvis, der er 1968 war oder zumindest wieder sein wollte.

Zweitens glaube ich, dass Elvis sich später immer mehr gelöst hat von Vorgaben und Rahmenbedingungen, die er aus meiner Sicht viel zu oft hingenommen und akzeptiert hatte, leider war er da aber auch schon gesundheitlich nicht mehr auf der Höhe.

Ich glaube auf Elvis is back hören wir auch ne Menge "wahren" Elvis und natürlich auch in den großen Balladen der Sechziger. Elvis war nicht so "one-track-minded" und offen, er liebte Musik verschiedenster Richtungen.

Mit der ganzen Kategorisiererei tun wir ihm keinen Gefallen.

Winston 24.11.2013 09:30

Zitat:

Zitat von charro (Beitrag 920281)
[...] Der Grund warum Elvis sich anfangs bei Phillps mit Balladen vorstellte [...] wenn ich mit meiner Stimme überzeugen will [...]

Elvis sang aber seinen Mitschülern und Freundinnen durchweg Balladen vor und experimentierte nicht mit einer neuen von ihm gewünschten Musikrichtung. Ich glaube nicht, dass Elvis zu Sam gegangen ist und sich dachte: Na, ich fang mal mit Melodie an und rocke später los, wenn es ihn nicht überzeugt.

Seine eigene Demo besteht auch aus Balladen. Ich bin überzeugt, dass er die Songs gewählt hat, die er gut beherrschte, weil er sie bevorzugt privat gesungen hat. Er hat da nichts gesungen, was auf einen eigenen neuen Stil hindeuten würde. Den hatte er meiner Ansicht nach nicht im Kopf.

Zitat:

Zitat von charro (Beitrag 920298)
[...] That's All Right, Good Rocking Tonight, Mystery Train & Co den Nerv der Zeit viel eher trafen? [...]

Sam konnte doch gar nicht abschätzen, ob es nach That's All Right so erfolgreich weitergeht. Man wählt doch bewusst eine B-Seite, die von der A-Seite abweicht, um möglichst viele anzusprechen.

Zitat:

Zitat von TheKing (Beitrag 920323)
[...] an welcher Stelle war näher an seinem ureigenen Kern? [...]

Ich glaube, wir sind uns einig, dass Elvis unter Führung von Sam Phillips, Steve Binder und Chips Moman seine beste Musik ablieferte. Alle drei Produzenten haben Elvis geführt und das aus ihm herausgeholt, was sie in Elvis sahen und wollten. Elvis hat sich unter diesem Druck den A... aufgerissen und Höchstleistung abgeliefert.

Aber er ist nicht bei Sam geblieben um an seinem neu gefundenen Stil weiterzuarbeiten. Er ist zur RCA gewechselt, denn die konnten mehr für ihn tun und er dadurch mehr Geld verdienen. Jetzt wird es aber interessant: Es kommen mehr Instrumente hinzu und ein Chor. Das ganze klingt nun bedeutend weicher und runder. Plötzlich sind auch Balladen auf seinen Platten und Elvis produziert sich selbst.

Bei Chips hat er es auch nicht lange ausgehalten. Zu ernst und zielorientiert war die Produktion seiner besten Musik. Also ging er zurück nach Nashville, wo er sich selbst produzieren konnte und vor allen Dingen immer wieder die Musik in den Pausen anstimmen, die er mochte.

Und zum Ende wird der Rock'n'Roll in die Ecke geworfen und seine Balladen werden mit großen Orchester zelebriert.

Ich glaube nicht, dass Elvis auf der Suche nach einem Platz in der Rock-Musik war, sondern er wollte einfach nur seine Musik machen: Gospel und Balladen.

King77 24.11.2013 11:36

Du machst deine Schritte hier sehr schnell. Von Sun zu RCA und schon gibt es mehr Instrumente. Wer die Sessions verfolgt der sieht man hat auch bei Sun schon neben den 3 üblichen Musikern schon Drums + Piano eingesetzt. Die Balladen die Elvis dann bei RCA aufnahm wie z. B I Was The One, I Want You, I Need You , I Love usw. wurden erstens für Elvis geschrieben u. hatten eine ganz andere Qualität als die langsamen Stücke bei Sun. Die langsamen Songs bei Sun waren einfach viel zu schwach um Veröff. zu werden.

Auch weicht die B Seite von That´s All Right nicht vom Stil ab. Beide Songs kommen im Org. aus anderen Richtungen aber nicht so wie von Elvis interpretiert. Beides sind Rockabilly Songs auf gleicher Ebene.

Auch darf man nicht vergessen dass auch die Balladen mit diversen Backround Gesang zu dieser Zeit zum R+R dazu gehörten. Gerade Pat Boone war auf dieser Ebene besonders erfolgreich. Also war es nur naheliegend Elvis auch solches Material anzubieten u. aufzunehmen.

sapperlot 24.11.2013 13:43

Lieber @Winston,
ich schreibe dir einmal meine Gedankensplitter zu dem, was dich hier bewegt, auf.

Spontan fallen mir vier überlieferte Äußerungen von Elvis A. Presley ein:
- schon sehr früh, ich meine, es war sogar gegenüber Marion Kisker während der Privataufnahmen, beteuerte er zweierlei (so ungefähr):
*ich singe jedes Genre* und *nein, ich klinge nicht wie irgend jemand*
- *ohne rock 'n' roll würde ich verhungern*
- *am liebsten würde ich nur noch Gospels singen, aber dann stünden zu viele Leute nicht mehr in Brot und Lohn*
-(hinzu kommen die von dir bereits erwähnten Mitteilungen seiner Lieblingslieder)

Damit hättest du eine Bandbreite dessen, was Elvis Presley für sich beanspruchte (kognitiv), was ihn aber auch offensichtlich umtriebig erfreute (affektiv).

Ich meine ja, dass gerade der junge Mr. Presley, ein Rohdiamant, die Musik postmodern interpretiert hat, und das, was ihn von anderen Sängern unterschied, war seine bedingungslose Hingabe und Leidenschaft für und beim Musizieren. Daher erscheint es egal, welcher stilistischen Quelle seine gesungenen Lieder wie Cover entsprangen, wesentlich ist, dass er sie beseelte. Und ich finde sogar, dass die frühen (sog.) Rockandroll-Songs in einem engeren Sinne gar keine solche waren. Dieses *That's Alright Mama* ist für mich (!) mehr ein Bluessong ... natürlich klingt das bei mir so an, weil ich nunmal den Blues lieber mag als den Rock ... und für jemand, dessen Vorlieben umgekehrt sind, wird es wohl auch umgekehrt sein. Daran lässt sich, meines Erachtens, das konstituierende Moment seines musikalischen Dranges erkennen: die Verschmelzung. Ich denke, das steckt auch in seinem Spätwerk drinne (*don't think twice - it's all right* finde ich zB wundervoll rhythmisch interpretiert, auch wenn mir das Gekrächze ;-) von Bob Dylan da besser gefällt, oder auch *never fall in love again*, das er lakonisch bluesig beginnt und im schmetternden Balladenstil beendet), leider viel zu selten, da wohl das innere Lodern keinen ausreichenden Sauerstoff mehr bekam.


Zu deiner Balladen-Hypothese ;-)
Soviel ich weiß, hörte man im elterlichen Hause Presley, v.a. mütterlicherseits, Mario Lanza und all diese operettenähnliche Musik. Ich denke auch, dass man sie mitgesungen hat. Die schwarze Musik und die Jugendliche in ihrer Modernität ansprechende Musik hat der junge Elvis Presley heimlich am Radio hören/aufsaugen müssen ... Mich wundert es daher nicht, wenn er bei Sam Phillips zunächst mit "Schnulzen" aufwartete ... doch ich bezweifele, dass es genau und nur das war, was er singen wollte.
Anders herum: wenn es reine "Mache" gewesen wäre, was da Sam Phillips aus ihm herausholen wollte, herausgeholt hat ... ... ... dann wäre niemals diese inhärente Spannung ob der weiten Spannbreite in diesen Songs heraus gekommen, mithin das Presley'anische Faszinosum. Für mich ist Elvis Presley vor allem anderen ein lyrischer, geheimnisvoll verdichtender Sänger.

:-)

sapperlot 24.11.2013 13:48

... zu diesem "I don't sound like nobody" habe ich eine Frage, weil mein Englisch nicht sonderlich ausgefeilt ist:

Eigentlich heißt das doch: ~ich klinge nicht wie (ein) Niemand~ ... wollte er Marion Kisker damit beteuern, dass er kein musikalischer Niemand sei?

Meines Erachtens müsste es, um zu der Bedeutung von ~ich klinge nicht wie jedermann~ zu gelangen, heißen: "I do sound like nobody" ...

Dankesehr für etwaige Aufklärung, einen schönen sonntag wünsche ich ;-)

Mike 24.11.2013 14:08

What kind of singer are you?, asked Marion
"I sing all kinds"
"Who do you sound like? asked Marion
"I don't sound like nobody," Elvis retorted
"Hillbilly?"
"Yeah, I sing hillbilly"
"Who do you sound like in hillbilly?"
"I don't sound like nobody."





Von der wortwörtlichen Übersetzung magst du richtig liegen. Wird wohl mehr eine Phrase sein, wie "I klinge nicht wie irgendjemand".:noidea:

sapperlot 24.11.2013 14:16

dankesehr, lieber @Mike!
Es würde mich so sehr interessieren, ob es wirklich bloß eine Phrase oder ein Slang war ..
Vielleicht hat er, in aller seiner Unsicherheit, tatsächlich gesagt: ~ich klinge nicht wie ein Niemand~ ...
Elvis Presley ist ja, wie ich meine, seinen Selbstzweifeln oft pseudoprogressiv (so eine Art Flucht nbach vorne) begegnet.
:-)

burroughs 24.11.2013 14:25

ich denke, was das angeht, war er selbstsicher genug, um zu sagen..
*hey, ich singe das, das und das.. ABER.. ich kopiere niemanden. ich singe nicht wie irgendjemand anderer!*

Ciscoking 24.11.2013 14:29

ich uebersetz das mit ..ich klinge wie niemand..
korrekt haette er sagen muessen ...I dont sound
like anybody..aber das war wohl der slang..er sagt...
er klingt wie niemand...was auf seinen voellig neuen
stil bezogen war..so sehe ich es

Mike 24.11.2013 14:30

Das denke ich auch! "Ich klinge nicht wie ein Niemand", oder "Ich klinge nicht wie Niemand" würde nicht zum Gesprächsverlauf passen.

sapperlot 24.11.2013 14:45

... okay, dann will ich das so annehmen ;-)
vielen herzlichen dank:-)
and so long, sl.

Ciscoking 24.11.2013 14:48

Zitat:

Zitat von sapperlot (Beitrag 920469)
... okay, dann will ich das so annehmen ;-)
vielen herzlichen dank:-)
and so long, sl.

Gerne,... ich kann sonst keinen anderen Hintergrund sehen..:-)....

Mike 24.11.2013 14:59

....wenn denn die Überlieferungen des Gespräches richtig sind.

Circle G 24.11.2013 15:23

Im englischen Sprachgebrauch wird gerne mal die doppelte Verneinung verwendet, um dem "Nein" Nachdruck zu verleihen (Anders als im Deutschen, wo die doppelte Verneinung zu "Ja" wird!). Es bedeutet also zweifelsfrei genau das, was hier auch schon mehrfach gesagt wurde, nämlich in etwa: "Ich klinge wie niemand sonst."

Diese Form der doppelten Verneinung findet auch in zahlreichen Songs Anwendung z.B. bei Pink Floyd "We don't need no education" oder bei den Stones "We can't get no satisfaction".

Aber auch in Elvis-Songs haben wir das immer wieder ...

- Hound Dog: ... you ain't nothing but a Hound Dog
- That's Alright: ... son that girl you're foolin' with she ain't no good for you
- Baby Let's Play House: ... don't you be nobody's fool

Und da gibt es noch mehr Beispiele, die mir nur gerade nicht einfallen wollen. :roll:

Circle G 24.11.2013 15:53

Und noch mehr ...

Don't Be Cruel: ... I don't want no other love
Milkcow Blues Boogie: ... I ain't had no milk and butter since that cow's been gone
I've Got To Find My Baby: ... and I ain't had no lovin' since my baby's been gone
I Gotta Know: ... well, I ain't had no sleep

burroughs 24.11.2013 15:56

Zitat:

Zitat von Circle G (Beitrag 920489)
..bei den Stones "We can't get no satisfaction".

I .. also nur Mick :grins:

Circle G 24.11.2013 15:58

Haha! Da war ich wohl noch bei Pink Floyd. :roll: :grins:

Ciscoking 24.11.2013 16:03

wo se recht hat, hat se recht.

allerteuerste 24.11.2013 18:08

Zitat:

Zitat von sapperlot (Beitrag 920449)
Meines Erachtens müsste es, um zu der Bedeutung von ~ich klinge nicht wie jedermann~ zu gelangen, heißen: "I do sound like nobody" ...

Das wäre in jeder Art Englisch falsch, weil im Englischen, im Gegensatz zum Deutschen, korrekterweise stets das VERB verneint wird.

Zitat:

Zitat von sapperlot (Beitrag 920458)
Es würde mich so sehr interessieren, ob es wirklich bloß eine Phrase oder ein Slang war ..

Es ist keine Phrase (feststehende Redewendung), sondern Slang, und eigentlich ist die doppelte Verneinung, auch wenn inkorrekt, umgangssprachlich durchaus auch in anderen Gegenden ebenso üblich.

Zitat:

Zitat von Circle G (Beitrag 920489)
Im englischen Sprachgebrauch wird gerne mal die doppelte Verneinung verwendet, um dem "Nein" Nachdruck zu verleihen (Anders als im Deutschen, wo die doppelte Verneinung zu "Ja" wird!).

Auch im Englischen ist, wie im Deutschen, eine doppelte Verneinung ein „Ja“ und wäre als Verneinung somit inkorrekt, wird aber in beiden Sprachen dennoch als "Nein" verwendet, im Englischen allerdings, so mein Eindruck, ist es üblich.

Im Deutschen kenne ich es eigentlich nur in diversen lokalen Dialekten oder als leicht humorvolle Hervorhebung, wie zB "Nichts Genaues weiß man nicht."

Zitat:

Zitat von Circle G (Beitrag 920489)
Es bedeutet also zweifelsfrei genau das, was hier auch schon mehrfach gesagt wurde, nämlich in etwa: "Ich klinge wie niemand sonst."

So ist es.

TheKing 24.11.2013 23:32

Ich denke das haben wir hinreichend erläutert! :grins:

michael grasberger 25.11.2013 10:14

ich mag mich nicht wiederholen, daher nur der hinweis darauf, dass wir diesen thread vor nicht allzu langer zeit bereits hatten:
www.elvisnachrichten.de/showthread.php?t=26666

michael grasberger 25.11.2013 10:22

Zitat:

Zitat von sapperlot (Beitrag 920448)

Und ich finde sogar, dass die frühen (sog.) Rockandroll-Songs in einem engeren Sinne gar keine solche waren. Dieses *That's Alright Mama* ist für mich (!) mehr ein Bluessong ...

"that's all right" ist auch genau genommen kein rock'n'roll sondern (wie die meisten sun-aufnahmen) rockabilly, mit anderen worten: country mit r&b vermischt.

allerteuerste 25.11.2013 14:49

Zitat:

Zitat von TheKing (Beitrag 920571)
Ich denke das haben wir hinreichend erläutert! :grins:

Nicht so schön zusammengefasst, nicht so genau (zB war die Aussage "im Deutschen gilt es als "Ja" nur halbrichtig) und nicht mit dem BONUS (warum der eine Satz zB falsch ist) versehen. Soviel Korrektheit muss sein. :grins:

tyrone 25.11.2013 15:34

falls sam elvis gegen desen willen verbogen haben sollte, was ich, zumindest in diesem umfang, nicht glaube - ich wäre ihm dankbar dafür!

wollte ich nur mal sagen.

TheKing 25.11.2013 15:51

Diese Erbesenzählerei Songs penibel in Kategorien einzusortieren ist was für Erbsenzähler und Briefmarkensammler. Ich brauche diese Genre nur zur ungefähren Beschreibung. Guter Musik ist es egal wie man sie nennt. :top:

tyrone 25.11.2013 15:53

das stimmt zwar, ich bin aber froh das elvis nicht nur schnulzen gesungen hat. und ich glaube auch das fast jeder musiker oder sänger offen für alle möglichen arten von musik ist!

deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen das elvis musikgeschmack so eindimensional gewesen sein soll:noidea:

eine penible einteilung in genres ist aber wirklich quatsch, zumal die wenigste musik "reinrassig" ist.

zur groben orientierung ist eine einordnung aber ab und an ganz hilfreich.


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 11:53 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
www.elvisnachrichten.de | www.elvisforum.de | www.elvis-forum.de